/USA: Donald Trumps Mauer löst gar nichts

USA: Donald Trumps Mauer löst gar nichts

Für Donald Trump gibt es keine Alternative: “Die Mauer ist unabdingbar für unsere Grenzsicherheit”, sagte der US-Präsident von seinem Schreibtisch aus in die Kamera. Die etwa zehnminütige Ansprache wurde ins ganze Land übertragen. Nicht nur bei dieser Gelegenheit beschwor Trump die “wachsende humanitäre Krise und die Sicherheitskrise” an der 3.144 Kilometer langen Grenze zwischen USA und Mexiko. 5,7 Milliarden Dollar fordert er deshalb zur Finanzierung der Mauer, sein großes Wahlversprechen und seine Obsession. Sie soll die amerikanische Bevölkerung vor Drogenschmuggel, illegaler Migration und Terrorismus schützen.

Infografik: Wo die Grenze zwischen Mexiko und den USA verläuft

Auf 1.130 km Länge stehen Zäune oder andere Barrieren (rot eingefärbt)

Autos stauen sich am Grenzübergang in Tijuana

Es gibt 48 Grenz­übergänge zwischen den USA und Mexiko

Metallzaun an der Grenze in Nogales

Der natürliche Verlauf des Rio Grande bestimmt die Grenzlinie und erschwert eine lückenlose Überwachung

Grenzübergang in Laredo/Texas

Autos stauen sich am Grenzübergang in Tijuana

Auf knapp 1.130 km der Grenze stehen bereits Zäune oder andere Barrieren (rot eingefärbt)

Es gibt 48 Grenz­übergänge zwischen den USA und Mexiko

Metallzaun an der Grenze in Nogales

Der natürliche Verlauf des Rio Grande bestimmt die Grenzlinie und erschwert eine lückenlose Überwachung

Grenzübergang in Laredo/Texas


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Die Unnachgiebigkeit des Präsidenten hat die USA in eine Krise gestürzt: Im Kongress ist der Haushalt blockiert, der Shutdown lähmt seit Wochen weite Teile der Regierungsbehörden und Bundesverwaltung. Doch Trump besteht auf seinem Projekt. Die Probleme an der Grenze sehen derweil anders aus, als er sie darstellt. Illegale Grenzübertritte sind langfristig gesehen rückläufig, dem Drogenschmuggel ist mit einer Mauer nicht beizukommen und die Terrorgefahr ist übertrieben. Ein Blick auf die Grenze in Zahlen:


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1130 Kilometer


Grenzbarrieren


existieren bereits an der 3.144 Kilometer langen Grenze zwischen den USA und Mexiko


An
Teilen der Grenze gibt es bereits befestigte Anlagen, meist in Form einer
Stahlbarriere oder eines Zauns. Seit den Neunzigerjahren wurden
verstärkt Sperranlagen gebaut, die nach und nach erweitert wurden,
insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Auch der
Grenzschutz in Form von Überwachungstechnologie und Personal wurde ausgebaut. 1.130 Kilometer der 3.144 Kilometer langen mexikanischen Grenze enthalten Barrieren verschiedener Art.

Und der Rest? Manche Strecken sind offen, sie wären aber ohnehin kaum lebend zu überqueren: unwirtliche Gebirgsabschnitte, extreme Wüstenregionen. Zäune oder Mauern wären dort weder effektiv, noch ließen sie sich überhaupt errichten und wären teuer. An anderen Stellen der Grenze gibt es Patrouillen und technische Überwachungsmaßnahmen. Die Zahl der Grenzschutzkräfte lag in den vergangenen Jahren bei rund 20.000, zuletzt befanden sich mehr als drei Viertel davon an der südlichen Grenze.

Für Trumps aktuell geforderte Finanzierung von 5,7 Milliarden Dollar bekäme er nur 400 Kilometer zusätzlicher Grenzbarrieren, die weiteren Kosten dürften ein Vielfaches sein, und der Bau nähme viele Jahre in Anspruch. Trump dürften die Zahlen vorgelegt worden sein – ihm geht es wohl eher ums Prinzip und um die symbolische Kraft des Projekts für seine Basis.


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396579


Festnahmen


gab es an der US-Grenze zu Mexiko im Haushaltsjahr 2018 (bis September)


Wie viele Menschen illegal über die mexikanische Grenze in die USA kommen, lässt sich kaum sicher sagen. Die US-Regierung unternimmt dazu auch keine offiziellen Schätzungen. Ein Indikator, der zumindest einen Hinweis auf die Entwicklung gibt, ist die Zahl der Festnahmen zwischen den Grenzübergängen – wenn also US-Grenzschützer illegal Einreisende aufgreifen. Sie gehen stark zurück.

Experten gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der Menschen bei der illegalen Überquerung festgenommen wird. Für das Haushaltsjahr 2017 weist die offizielle Statistik 303.916 Festnahmen aus, im Haushaltsjahr 2018 (bis September) stieg die Zahl auf 396.579. Zum Vergleich: Im Rekordjahr 2000 wurden mehr als 1,6 Millionen Menschen festgenommen, nachdem sie illegal über die Grenze gekommen waren, 2005 waren es noch fast 1,2 Millionen.

Die Panik, die Präsident Donald Trump verbreitet, erscheint also rückblickend kaum gerechtfertigt. Ja, Anfang 2018 stiegen die Zahlen, sie blieben aber immer noch niedriger als vor zehn Jahren. Lediglich den Vergleich zu 2017 heranzuziehen, um von einer außergewöhnlichen Krise an der Grenze zu sprechen, ergibt wenig Sinn. Ein kurzfristiger Anstieg der Festnahmen seit Trumps Amtsantritt dürfte eher der Null-Toleranz-Politik seiner Regierung zuzuschreiben sein.


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Minderjährige ohne Begleitung


griff der US-Grenzschutz allein im November 2018 auf


In den vergangenen Jahren haben unterschiedliche Gruppen die mexikanisch-amerikanische Grenze illegal überquert. Entsprechend hat sich der Umgang mit den Migranten verändert. In den Neunziger- und Nullerjahren gingen vor allem mexikanische Männer diesen Weg, oft allein. Wurden sie festgenommen, wurden sie in der Regel nach einem kurzen Aufenthalt abgeschoben. Inzwischen kommen Familien und Kinder der Mexikaner und aus anderen Ländern. Deutlich gestiegen ist die Zahl der Menschen aus mittelamerikanischen Ländern, etwa El Salvador, Guatemala oder Honduras. Sie fliehen vor dortiger Gewalt und Armut. Im vergangenen Haushaltsjahr nahmen die Grenzbehörden 107.212 Familienmitglieder fest, deren Gruppe aus mindestens einem Elternteil und einem Kind bestand. Fünf Jahre früher waren es noch 14.800.

Insbesondere die große Zahl Minderjähriger ohne Begleitung aus Mittelamerika ist aus Sicht der Trump-Regierung ein Problem: Die Gesetzeslage verhindert ihre schnelle Abschiebung und begrenzt, wie lange Kinder festgehalten werden dürfen. Darüber hinaus stellen sich die ankommenden Menschen oft freiwillig den Grenzschützern, um anschließend Asyl zu beantragen. Im Haushaltsjahr 2018 baten 38.269 Menschen an den Grenzübergängen zu Mexiko um Asyl (2017: 17.284), 54.690 kamen illegal ins Land, bevor sie einen Asylantrag stellten (2017: 38.300). Die eigentliche humanitäre Krise ist die Überforderung der Behörden: Es
gibt zu wenige Unterkünfte – und sie sind überfüllt. Zurzeit sind etwa
15.000 Kinder in Auffangeinrichtungen untergebracht, zwei starben
kürzlich in Obhut.


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6


Terrorverdächtige


wurden innerhalb eines halben Jahres von den US-Behörden an der mexikanischen Grenze festgenommen


Die Regierung von Donald Trump hat immer wieder behauptet, Tausende Terroristen beziehungsweise potenzielle Terroristen würden versuchen, über die mexikanische Grenze in die USA zu gelangen. Eine öffentlich zugängliche offizielle Statistik gibt es dazu nicht – und auch sonst wenig Anlass, dieser Darstellung zu folgen.

Laut einem Bericht von NBC News wurden in der ersten Hälfte des Haushaltsjahrs 2018 an der Grenze sechs Menschen festgenommen, die auf Listen mit bekannten oder verdächtigten Terroristen geführt waren. Außer den alarmistischen Äußerungen in Zusammenhang mit der Forderung, die gesamte Grenze mit einer Mauer zu schützen, fehlt jede Spur für die angeblich so große Gefahr: keine Einschätzungen der Sicherheitsbehörden, die das Phänomen benennen, keine Anklagen oder sonstige Hinweise auf einzelne Fälle.

Nicholas Rasmussen war sowohl in der Amtszeit von Barack Obama als auch noch unter Donald Trump bis Dezember 2017 Direktor des Nationalen Terrorabwehrzentrums NCTC. Er weist auf den Trend hin, dass Terrororganisationen in den vergangenen Jahren eher potenzielle Attentäter mobilisieren, die bereits im Land sind, statt sie erst ins Land zu schleusen. Zum anderen sei nicht jeder, dem die Einreise wegen einer potenziellen Terrorverbindung verwehrt wurde, ein angehender Terrorist. Dafür sind die Kriterien für eine Einreiseverweigerung oder vorübergehende Festnahme zu breit. Unter Umständen reicht es, die falsche Nationalität zu haben oder in den falschen Ländern gewesen zu sein. Und fast ausnahmslos geschehen diese Festnahmen an Flughäfen, nicht an der südlichen Grenze.


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91 Prozent


des geschmuggelten Heroins


kommen über die südliche Grenze in die USA


Ein Argument der Trump-Regierung für den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko ist der Kampf gegen den Drogenschmuggel, vor allem mit Heroin. In der Tat kamen laut den Drogenfahndern der DEA (Drug Enforcement Agency) 91 Prozent des 2017 beschlagnahmten Heroins in den USA aus Mexiko und gelangte über die südliche Grenze ins Land. Allerdings ist fraglich, wie eine Mauer das verhindern sollte. Nur ein geringer Teil wurde bei illegalen Grenzübertritten außerhalb der Grenzübergänge beschlagnahmt. Der größte Teil wurde bei Kontrollen entdeckt, häufig versteckt in Pkws, gefolgt von Lkws, wo das Heroin neben regulärer Ware versteckt wurde. Kleinere Chargen trugen die Schmuggler auch am Körper, in Rucksäcken oder Schuhen.

Das bedeutet nicht nur, dass eine Mauer entlang der Grenze nur einen sehr geringen Einfluss auf den Drogenschmuggel hätte. Womöglich wären die von Donald Trump für den Bau geforderten 5,7 Milliarden Dollar einfach besser in Überwachungstechnologie oder die personelle Aufstockung des Grenzschutzes an den Übergängen angelegt. Der überparteiliche Haushaltsentwurf, den der Kongress Ende letzten Jahres verabschiedet hatte, enthielt entsprechende Mittel für mehr Technik und Personal. Trump legte aber sein Veto ein: Er will unbedingt die Mauer.

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