/Politische Gewalt: Gefährlicher Fatalismus

Politische Gewalt: Gefährlicher Fatalismus

Wenn
es um politische Gewalt in Deutschland geht, bekommt man es sehr
schnell mit zwei Reaktionen zu tun. Erstens dem Vergleich mit der
Weimarer Republik – zumal in diesen Tagen, wo sich die Ermordung
Rosa Luxemburgs zum hundertsten Mal jährt. Zweitens dem guten alten Whataboutism, also dem Versuch, sich durch Verweise auf
Fehlverhalten des politischen Gegners in völlig anderen
Zusammenhängen unangenehme Debatten vom Hals zu schaffen. 

Noch
ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt, ob der brutale Überfall
auf den Bremer AfD-Chef und Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz
einen politischen Hintergrund hatte. Magnitz selbst sagte zwischenzeitlich, 
es könne auch ein Raubüberfall gewesen sein. Davon hat er sich wieder distanziert. “Der Anschlag trägt die Handschrift von Linksextremisten”, sagte er der Welt. Um einen Raubüberfall handele es sich “definitiv nicht”.
Die Polizei vermutet
politische Motive, die AfD ist sich sicher. Sie sieht die Hetze der
“Kartellparteien” und der “Relotius-Presse” in der
Verantwortung.

Ein Foto von Magnitz’ Schädel mit der
klaffenden Wunde, im Krankenhaus von oberhalb des Bettes aufgenommen,
wird von der Partei verbreitet. “Linksextreme Gewalt”, schreibt der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke auf Facebook, “wurde
immer wieder verharmlost und relativiert”. Und weiter: “Diejenigen, die die
Berliner Republik Weimarer Spätverhältnissen zugeführt haben, sind
jetzt schon schuldig vor der Geschichte geworden.” Und der
österreichische Anführer der Identitären Bewegung, Martin Sellner,
fordert alle “Patrioten” auf, sich nicht zu irgendetwas hinreißen zu lassen, friedlich zu bleiben – mag aber für nichts
garantieren, wenn das “totalitäre System” weiterhin seine
finstere Macht gegen das Volk ausübe.

Man
wird das Gefühl nicht los, der Vergleich mit Weimar entspringe einer
gewissen klammheimlichen Vorfreude. Denn historisch taugt er nichts. Der verlorene Weltkrieg, die Republik mit zu wenigen Demokraten, die
wacklige Ungeübtheit der Institutionen – all das hat mit der Gegenwart der Bundesrepublik herzlich wenig zu tun.
Vielmehr wirkt es, als wolle man genau die Verhältnisse
herbeisingen, die man angeblich beklagt.

Wer wie die AfD behauptet,
die “Kartellparteien” hätten sich den Staat “zur Beute”
gemacht, wer Lehrer auf Plattformen denunzieren will, Kitas oder das
Bundesverfassungsgericht einem Generalverdacht aussetzt, konstruiert
sich eine Art politische Notwehrsituation. In der dann eben doch
eines Tages alles erlaubt ist.

Wo bleibt der Respekt für die Institutionen?

Leider
ist es mit dem Respekt für die Institutionen auf der Linken oft auch
nicht weit her. Was genau soll die Forderung “Nazis raus”? Wo
sollen sie hin? Die Grafik dazu zeigt, wie ein Hakenkreuz in den
Mülleimer geworfen wird. Dass die AfD auf den Müllhaufen der
Geschichte gehöre, beseitigt, ausgesondert, genau das mögen sich auch
die drei Angreifer gedacht haben, die Magnitz auf
offener Straße überfielen.

Und hier kommt dann auch der Whataboutism ins Spiel. “Deswegen”, so schreibt Twitterer Vincent Knight mit Verweis auf Postings von Magnitz, auf denen
gegen die Bundeskanzlerin, Claudia Roth oder die
Öffentlich-Rechtlichen gehetzt wird, “habe ich Null Mitleid mit
dem Widerling #Magnitz.”

Wer sind die Nazis? Die im Bundestag
und in allen Landtagen vertretene AfD, die sich dort ja nicht durch
einen Putsch hineingedrängt hat? Hinter dieser Forderung steckt ein
gefährlicher Fatalismus. Man hat den demokratischen Wettstreit schon
verloren gegeben, jetzt hilft nur noch etwas ganz Radikales. Raus!

Es
ist völlig berechtigt, darauf hinzuweisen, dass die AfD durch
Äußerungen wie “Wir wollen Merkel nicht jagen – wir wollen sie
erledigen” (der AfD-Bundestagsabgeordnete Nicolaus Fest) zu eben
der Verrohung des Klimas beiträgt, die sie jetzt beklagt. Aber das
ändert nichts daran, dass jeder erst mal selbst für das geradestehen
muss, was er so von sich gibt.

Hits: 2