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Lawinengefahr: “Es bleiben nur wenige Minuten, bis der Sauerstoff ausgeht”

Kinder haben schneefrei, Menschen sitzen eingeschneit fest und die Lawinengefahr ist immens: Wegen andauernder Schneefälle mussten einige Landkreise den Katastrophenfall ausrufen. In Bayern, der Schweiz und Österreich sind Straßen teils nicht mehr befahrbar, Bäume brechen unter den Schneemassen zusammen, Schulen mussten schließen.

Winterurlauberinnen und -urlauber müssen sich auf eine steigende Lawinengefahr einstellen. Pisten wurden vielerorts gesperrt, es gilt die zweithöchste Gefahrenstufe. Der Lawinenforscher Thomas Stucki erklärt, welche Ausrüstung man braucht, um jemanden zu retten, der im Schnee verschüttet wurde.

ZEIT ONLINE: Kürzlich wurde in den österreichischen Alpen die zweithöchste Lawinenwarnstufe ausgerufen. Was bedeutet das und wie viele Stufen gibt es eigentlich?

Thomas Stucki: Insgesamt gibt es fünf Gefahrenstufen. Sie geben an, wie kritisch die Lawinensituation in bestimmten Regionen sein kann. Je höher der Wert, desto größer die Gefahr, eine Lawine auszulösen. Die Skala richtet sich dabei hauptsächlich an Wintersportler, die außerhalb der gesicherten Skipisten unterwegs sind. Behörden orientieren sich häufig eher an besonders hohen Werten in der unmittelbaren Umgebung, bevor sie ein Gebiet evakuieren. Da es in den letzten Tagen stark geschneit hat und zudem sehr windig war, besteht dementsprechend auf einigen Abhängen eine erhöhte Lawinengefahr.

ZEIT ONLINE: Bereits im vergangenen Jahr herrschte eine erhöhte Lawinengefahr in den Alpen. Würden Sie sagen, dass sich das Lawinenrisiko erhöht hat?

Stucki: Der Januar 2018 war in dem Punkt schon außergewöhnlich. Zeitweise gab es in einigen Gebieten die höchste Warnstufe, und das kommt verhältnismäßig selten vor. Im Winter davor war das anders: Dadurch, dass es nur wenig geschneit hatte, gab es zum Beispiel hier in der Schweiz sowie in Österreich nur eine geringe Lawinengefahr. Da das in den letzten Jahren eher geschwankt hat, würde ich nicht von einem Trend ausgehen.

ZEIT ONLINE: Ein Blitzschlag kündigt sich meist mit einem lauten Grollen an. Gibt es bei einer Lawine ähnliche Warnsignale?

Lawinengefahr: Thomas Stucki ist Leiter der Gruppe "Lawinenwarnung" beim WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in der Schweiz.

Thomas Stucki ist Leiter der Gruppe Lawinenwarnung beim WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in der Schweiz.
© Institut für Schnee- und Lawinenforschung

Stucki: Auch vor einer Lawine kann es schon mal laut grollen oder brummen. Das passiert gerade, wenn eine Schneedecke kollabiert. Schnee, der an eine andere Stelle verweht wurde, also Triebschnee, ist ebenfalls ein Anzeichen für eine gefährliche Region – die sollte dann bestenfalls gemieden werden. Denn dort hat sich eventuell der Schnee meterhoch aufgetürmt.

ZEIT ONLINE: Und was passiert, wenn es daraufhin regnet?

Stucki: Dann entsteht auf der Oberfläche eine feste, gebundene Schicht, unter der sich eine schwache befindet, die mit der Zeit nachgibt. Das kann man sich wie ein Kartenhaus vorstellen: Wird auf dem Dach langsam der Druck erhöht, bricht es irgendwann zusammen und die Karten fliegen durcheinander. Solche Lawinen werden als Schneebrettlawinen bezeichnet. Ebenso gefährlich ist es, wenn die Mittagssonne die Schneeoberfläche langsam schmelzen lässt. Dadurch kann sie sich leichter lösen und so zu einer Lawine führen.

ZEIT ONLINE: Nun können Laien vielleicht gar nicht sehen, ob es irgendwo Triebschnee gibt. Was würden Sie diesen Leuten raten?

Stucki: Sie sollten sich in erster Linie bei den zuständigen Sicherheitsbehörden informieren und Gefahrenregionen meiden. Daneben gibt es noch das Lawinenbulletin als Informationsquelle. Laien sollten sich, bevor sie sich in ungesicherte Gebiete wagen, ausbilden lassen. Dafür würde ich allerdings empfehlen, Kurse bei geschultem Personal zu machen. Schließlich braucht es etwas Erfahrung, um die Signale richtig zu deuten – und das lässt sich am besten in einer realen Umgebung erklären.

ZEIT ONLINE: Was macht Lawinen eigentlich so gefährlich?

Stucki: Die gigantische Schneemasse, unter der jemand binnen Sekunden begraben werden kann. In so einem Moment sind die Betroffenen wie einbetoniert und darauf angewiesen, dass jemand zur Hilfe kommt. Schließlich bleiben nur wenige Minuten, bis der Sauerstoff ausgeht.

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