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Fast Fashion: Ein T-Shirt für 2,50 Euro ist so ignorant wie grausam

Kann ein deutsches Unternehmen dafür haftbar gemacht werden, unter welchen Bedingungen es im Ausland produzieren lässt? Um diese Frage ging es am Donnerstag vor dem Dortmunder Landgericht. Klage eingereicht hatten vier Betroffene eines Großbrandes in einer pakistanischen Fabrik, die vorrangig für den deutschen Textilhändler KiK fertigt. Bei dem Feuer im Jahr 2012 waren mehr als 250 Arbeiterinnen und Arbeiter ums Leben gekommen.

Das Gericht hat die Klage auf Schmerzensgeld wegen mangelhafter Sicherheits- und Brandschutzvorkehrungen abgewiesen: Sie sei nach pakistanischem Recht verjährt. So einfach mag das vielleicht juristisch sein. Die moralische Frage aber bleibt offen: Wie gehen wir damit um, dass für uns der Preis der Globalisierung nur im nächsten Schnäppchen, in noch einem T-Shirt für 2,50 Euro besteht?

Der Anwalt Remo Klinger, der die Kläger vor Gericht vertrat, hatte vorher erklärt, hier gehe es um mehr als Schmerzensgeld – um einen Präzedenzfall nämlich: “Menschenrechtliche Standards zu erfüllen ist nicht nur Sache von Staaten, sondern auch von privaten Unternehmen.” Und vielleicht sollte man hier noch weiter ins Private gehen, zu jeder und jedem einzelnen von uns: Daran, dass das ungehemmte Konsumverhalten des reichen Westens die verheerenden Produktionsumstände im Bereich der Fast Fashion erschafft, ändert nämlich auch eine wegen Verjährung abgewiesene Klage nichts.

Der Brand in Karatschi ist nicht die einzige nationale Tragödie, die wir mit verschulden: Der Einsturz des Rana Plaza Building in Sabhar – auch dort wurde für KiK produziert – im Jahr 2013 gilt als schwerster Fabrikunfall in der Geschichte Bangladeschs, dort wurden 1.135 Menschen getötet und 2.438 verletzt.

Man muss nun unterscheiden: In Pakistan hat mutmaßlich eine Schutzgeldmafia Feuer gelegt, in Bangladesch ist ein Fabrikbau eingestürzt. Dennoch geht es in beiden Fällen um Standards, die nicht eingehalten, um gefährliche Mängel, die ignoriert wurden. Am Gebäude in Bangladesch waren gravierende Risse festgestellt worden, dennoch hielten sich darin am Tag des Einsturzes Tausende Menschen auf. Die Fabrik in Karatschi wies vergitterte Fenster auf, die im Brandfall von innen nicht zu öffnen waren, es gab Holzböden, die schnell Feuer fingen, und nur einen einzigen Rettungsweg, wie der Opferanwalt ausgeführt hatte.

KiK hat nach dem Brand mehr als sechs Millionen Dollar für die Betroffenen zur Verfügung gestellt, das soll nicht unterschlagen werden. Und nach Karatschi, nach Sabhar wurde in Deutschland 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien ins Leben gerufen. Es soll, so der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, “soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der gesamten Textillieferkette erreichen”. Es hat heute rund 130 Mitglieder, darunter rund die Hälfte der umsatzstärksten Unternehmen des Textileinzelhandels in Deutschland – auch KiK – sowie Nichtregierungsorganisationen, Verbände, Gewerkschaften.

Nur: Vor zwei Jahren hatte das Textilbündnis noch 200 Mitglieder – viele sind schon wieder ausgetreten. Dabei darf hier jedes Mitglied seine eigenen Zielsetzungen definieren, sei es der Einsatz von mehr Biobaumwolle, die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, die Dokumentation von verwendeten Chemikalien oder transparenterer Buchführungen. Die jährlichen Roadmaps zeigen, dass viele Unternehmen sich tatsächlich in kleinen Schritten um Verbesserung bemühen. Aber was bringt es globalen Prozessen, wenn lokal jeder für sich selbst entscheidet, wie viel Mühe er sich machen möchte? Die grundlegende Forderung der Fair Wear Foundation nämlich, dass Unternehmen sich zu Kontrollen externer Gutachter verpflichten, ist im Textilbündnis kein Thema.

Da muss dringend mehr Druck aufgebaut werden, denn nur so kann sich etwas ändern: wenn eine Produktion bis zum letzten Subunternehmer durchleuchtet werden kann. Und wenn, siehe Pakistan und Bangladesch, die Firmen den globalen Zusammenhang anerkennen.

Denn auch das stimmt: Wir sind ganz offensichtlich zu viele und zu schwach, wenn wir uns unbeobachtet fühlen, als dass man sich bei der Verbesserung der Welt auf unser Konsumverhalten verlassen könnte. Es ist eine Klischeevorstellung, dass aufgeklärte Verbraucher Konzerne zum Umdenken zwingen können – und in politischer Hinsicht sogar fatale Faulheit. Von der Entscheidung mit dem Einkaufswagen ist beispielsweise immer dann die Rede, wenn es um fehlende Regulierungen in der Lebensmittelindustrie geht. Einer Lebensmittelampel etwa, die den Gehalt an Fett, Salz, Zucker ausweist, verweigert sich hierzulande die Bundesernährungsministerin Julia Klöckner; solche Vereinfachungen erzeugten Verwirrung.

Im übertragenen Sinne bedeutet das: Das T-Shirt für 2,50 Euro ist die Pizza Hawaii der Textilbranche. Die Verbraucher ahnen schon, dass sie damit – bei sich oder anderswo – Schaden anrichten können. Aber gekauft wird das Ding trotzdem, schließlich gibt es nicht mal einen Beipackzettel, den man studieren könnte über Risiken, Nebenwirkungen und die wahren Kosten der billigen Produkte. Aber kein BSE-Skandal, keine Ehec-Epidemie, kein Brand in Pakistan und kein Einsturz in Bangladesch werden mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Produzenten und Konzerne verhindert.

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