/Auszeichnung: Menasse bekommt Carl-Zuckmayer-Medaille trotz Zitatstreits

Auszeichnung: Menasse bekommt Carl-Zuckmayer-Medaille trotz Zitatstreits

Es bleibt bei der Entscheidung: Der österreichische Schriftsteller
Robert Menasse bekommt die Carl-Zuckmayer-Medaille des
Landes Rheinland-Pfalz, trotz der Kritik an seinem Umgang mit
Zitaten und historischen Daten. Die Auszeichnung werde am 18. Januar überreicht, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). 

Der 64-Jährige hatte in seinem 2017 erschienenen Roman Die Hauptstadt angebliche Zitate des
ersten Präsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG),
Walter Hallstein, verwendet, die sich abschließend als falsch herausgestellt hatten. Er hatte Hallstein in dem Roman unter anderem eine Antrittsrede im Jahr 1958 auf
dem Gelände des früheren NS-Vernichtungslagers Auschwitz halten lassen. Diese Rede hatte Hallstein dort nie gehalten.

Dreyer sagte, es habe nach der öffentlichen Diskussion einen intensiven Austausch mit Menasse
gegeben. Er habe sich große Verdienste um die deutsche Sprache
erworben und sein engagiertes Streiten für die europäische Idee
habe die politische Debatte um die Zukunft der Europäischen Union sehr
bereichert.

In einem
Gastbeitrag für die Zeitung Die Welt hatte Menasse am Wochenende geschrieben, die Information zur Hallstein-Rede bei seinen Recherchen bekommen und ohne weitere Prüfung verwendet zu haben, denn für Romane gälten andere Regeln als für Doktorarbeiten. “Falls dieses Detail als historisches Faktum missverstanden wurde, tut mir das leid”, hatte Menasse
in dem Gastbeitrag geschrieben. Er habe verschiedentlich darauf
hingewiesen, dass er Hallstein nicht wörtlich, sondern sinngemäß
wiedergegeben habe. Die Kritik an seinem Umgang mit Zitaten nannte er in
dem Beitrag “künstliche Aufregung”, teilte jedoch in einer gemeinsamen Erklärung mit Dreyer mit, dass es ein Fehler gewesen sei, Hallstein in öffentlichen Äußerungen und nicht fiktionalen
Texten Zitate zugeschrieben zu haben, die dieser wörtlich so nicht
gesagt habe.

Vertrauen auf Hörensagen

In der Erklärung hieß es weiter: “Wir sind davon überzeugt, dass die vorbehaltlose Anerkennung von
Fakten zum Wertefundament unserer liberalen Öffentlichkeit gehört. Die
Bereitschaft, ja die Notwendigkeit, Gewissheiten von Annahmen und Fakten
von Meinungen zu trennen, ist für das Gelingen einer demokratischen
Debatte unerlässlich.”

Menasse schrieb, es sei unüberlegt gewesen, im Vertrauen auf
Hörensagen die Antrittsrede von Hallstein in Auschwitz verortet zu haben. “Diese hat dort nicht stattgefunden. Das hätte ich
überprüfen müssen.” Die künstlerische Freiheit im Roman und Spielregeln im
politischen Diskurs dürften nicht vermischt werden.

Dreyer sagte, sie sei froh, dass Menasse den Fehler eingeräumt habe. Sein literarisches Werk sei
unumstritten.

Der Vorsitzende der oppositionellen CDU-Fraktion im Mainzer Landtag, Christian Baldauf, kritisierte die Entscheidung. “Auch wenn sich Menasse für seine Fehler entschuldigt hat, ist die Verleihung zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal.”

Zu den bisherigen
Preisträgern gehören Martin Walser, Monika Maron, Udo Lindenberg, Volker Schlöndorff, Bruno Ganz und Sven Regener. Zuletzt ging die
Zuckmayer-Medaille an die deutsch-japanische Schriftstellerin Yoko Tawada. Der Namensgeber des Preises, der im rheinhessischen Nackenheim geborene
Autor Carl Zuckmayer (1896–1977), schrieb unter anderem die Theaterstücke Der
Hauptmann von Köpenick
und Des Teufels General

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