/“Tatort” Köln: Düsseldorf war von Anfang an ne Sackgasse

“Tatort” Köln: Düsseldorf war von Anfang an ne Sackgasse

Die, wie die Österreicherin sagt, Blitzgneißer
unter den ARD-Sonntagabendkrimi-Freunden werden im Kölner Tatort: Weiter, immer weiter
(WDR-Redaktion: Götz Bolten) stöhnen (oder jubilieren) über einen scheinbaren
Fehler. Und zwar, wenn sie sehen, dass sich das Tattoo von Nikolaj Nikitin (Vladimir Burlakov) auf der linken Seite seines Halses befindet.


"Tatort" Köln: Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über "Tatort" und "Polizeiruf 110". Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne "Der Obduktionsbericht".

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Eigentlich müsste es aber auf der rechten Seite platziert
sein – wenn der Streifenpolizist Frank Lorenz (Roeland Wiesnekker) es gesehen haben
will, so wie er am Beginn der Folge zu Protokoll gibt. Denn Lorenz stand rechts
vom Auto, als er Nikitin zum Aussteigen aufforderte, und um die Ecke gucken kann er nicht. Der scheinbare Fehler bei der
Maske (Ulrike Bruns-Giffel, Peggy Lilkendey) ist allerdings keiner – er führt
vielmehr direkt in diesen unoriginell verwinkelten Tatort (Buch: Arne Nolting, Jan Martin Scharf).

Lorenz ist ein alter Kollege von Fab Five Freddy (Dietmar Bär), den er durchgehend als “Schenki” adressiert. Die Lorenz-Figur
hat etwas Tapsiges, Treuherziges, zugleich wird der Problembär angedeutet, der
in ihr steckt: Während “Schenki” als Kommissar seine Bahnen zieht,
ist Lorenz ins Planschbecken des Streifendiensts zurückbeordert worden. Die
Liebe, der Alkohol, sagt man. Das leicht Unseriöse des Charakters wird durch
Übermüdung entschuldigt; der Dauereinsatz, die Überstunden, heißt es.

Derart etabliert Weiter,
immer weiter
eine Hauptfigur, die nicht leicht zu durchschauen ist, zugleich
aber den einzigen Grund für die Ermittlungen bildet. Lorenz hatte den jungen
Pascal Pohl (Wolf Danny Homann) kontrollieren wollen, der unter Einfluss
verbotener Substanzen allerdings aus dem Auto direkt vor eine Straßenbahn gerannt
ist. Den Tod beschreibt Lorenz dann aber als Flucht vor finsteren Gesellen, zu
denen eben Nikolaj Nikitin zählen soll. Und die mit dem Wort organisiertes
Verbrechen beschrieben sind – die Mafia, an deren Tattoos und Wagen sich der
Streifenpolizist präzise erinnert (und schon mal merkwürdigerweise nicht ans
Kennzeichen).

Aus Lorenzens Zeugenaussage leitet der Kölner Tatort seine Spannung ab, der eigentliche
Konflikt des Films ist eine Glaubwürdigkeitskonkurrenz: Während
“Schenki” und Ballauf (Klaus J. Behrendt) den Hinweisen nachgehen und
keine Spur finden, kommt Lorenz mit immer neuen Indizien um die Ecke. Und mit leicht
anschlussfähigen Vorwürfen gegen die Sesselpuper auf den Chefetagen.

Einmal trifft er gar einen Informanten aus der Szene, der
wiederum wissen will, dass bei der Polizei ein Maulwurf von der Mafia sitzt, um
Beweise verschwinden zu lassen. Womit die Zuschauersympathie zumindest
kurzzeitig wieder auf die Seite des einfachen Polizisten wechselt. Denn
Regisseur Sebastian Ko erzählt die Gespinste des Fränkie Lorenz im gleichen
ästhetischen Modus wie den Rest des Films: Es sieht alles genauso aus wie in
den Szenen mit “Schenki” und Ballauf.

Spaßvögel könnten behaupten, Weiter, immer weiter sei der Beitrag des Tatort zum Fall Claas Relotius,
jenes Spiegel-Reporters, der sich
seine preisgekrönten Geschichten vor allem ausgedacht hat.

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