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Elektroautos: Zu Teslas Bedingungen

Masdar
City im Emirat Abu Dhabi
ist eine ökologische Vorzeigesiedlung. Die Bauform der
Gebäude schafft inmitten des Wüstenklimas einen natürlichen kühlenden Luftzug,
den Strom erzeugt die Sonne. Das ambitionierte Projekt soll zeigen, woher die
Energie kommen kann, wenn dereinst die fossilen Brennstoffe erschöpft sind. Und
ist offenbar der perfekte Platz, um ein ebenfalls sehr ambitioniertes
automobiles Projekt für eine Testfahrt bereitzustellen: den ersten Tesla-Jäger
der deutschen Autoindustrie. Den Audi e-tron.

Das
Prestigemodell der Ingolstädter steht beispielhaft für die Strategie der
selbsternannten Premiummarken aus Süddeutschland, elektrisch fahrende
Automobile mit Luxusanspruch auf die Räder zu stellen. Sie gilt ebenfalls für
den 2019 erwarteten Mercedes EQC, und erst recht für geplanten Porsche Taycan.
Das Ziel ist, den US-Konkurrenten Tesla zu dessen Bedingungen zu schlagen, also
mit teuren, leistungsstarken Mobilen mit hoher Reichweite.

Im
Falle des e-tron bedeutet das: 80.000 Euro, 400 PS, mehr als 400 Kilometer
Reichweite – allerdings nach dem offiziellen WLTP-Zyklus, der nur unter
optimalen Bedingungen realistisch ist. In Abu Dhabi aber sind es 28 Grad im
Schatten, in der Sonne über 40. Die Klimaanlage des SUV schuftet. Hier halten
die Akkus etwa 300 Kilometer. Das ist dennoch ein passabler Wert in diesem
Freiluftofen. Und genug Fahrstrecke, um zu erkennen, dass der e-tron zu einem
gutem Elektromobil geraten ist. Er beschleunigt mit dem für E-Autos typischen
kräftigen Antritt; wenn der kurzzeitig mögliche Boost die Maximalleistung
entfacht, lässt der SUV die meisten Sportwagen mit Verbrennungsmotor hinter
sich.

Leise
gleitet der Wagen über den Asphalt. Erst bei über Tempo 100 zischt der
Fahrtwind hörbar. Steigungen nimmt der Wagen souverän, bergab führt die Rekuperation
die Energie zurück: Schon beim Lösen des Gaspedals setzt eine spürbare (und
einstellbare) Bremswirkung ein, das Display zeigt wieder steigende Reichweite.

Bloß nicht zu innovativ

Trotzdem
leidet das Ingolstädter Power-SUV unter einem Energiehunger, der simple
Haushaltssteckdosen an ihre Leistungsgrenzen bringt. Zwei Tage und Nächte
müsste das Fahrzeug an einem 220-Volt-Auslass parken, um die leeren Akkus
wieder mit Kraft zu versorgen. Der Hersteller empfiehlt den Käuferinnen und
Käufern daher, die Installation einer Wallbox in der heimischen Garage, dann
dauert es nur eine Nacht. Zudem haben die Entwickler dem e-tron die Möglichkeit
mitgegeben, an öffentlichen Gleichstromsäulen mit 150 Kilowatt Strom zu saugen.
Eine solche hatte Audi auch eigens für die Testfahrt am Zoo von Abu Dhabi
installiert; die Ladezeit schrumpfte auf Lunch-taugliche 40 Minuten.

Bislang
ist kein anderes Serien-E-Mobil in dieser Disziplin so schnell. Aus der Sicht
leistungsorientierter Akkuauto-Fans ist der Audi also das bislang innovativste
Fahrzeug auf dem Markt. Das steht in einem merkwürdigen Kontrast zu seinem
konventionellen Design. Keine Flügeltüren à la Tesla Model X, und auch kein
spektakuläres “Cab-Forward-Design” wie beim Jaguar I-Pace: Bei diesem
Elektro-SUV ist der Fahrgastraum weit nach vorne gezogen, weil ja kein Motor im
Weg ist – die Elektro-Aggregate stecken an den Achsen und schaffen so viel
Platz im Interieur.

Das
hätte beim Audi mit seinem ähnlichem Antriebskonzept natürlich auch
funktioniert, doch zu viel Innovation auf einmal mochte die VW-Tochter ihren
Kunden nicht zumuten. So entstand ein recht normales SUV, dessen größte
Design-Innovation die stummelartigen Kameras anstelle der Außenspiegel sind.
Sie liefern ein helles, klares Bild auf Displays in den Innentüren. Das ist
beim Spurwechsel zuerst etwas gewöhnungsbedürftig, aber sehr schick und modern.
Außerdem: Man muss dieses Gadget nicht mitordern.

Diese
eher defensive Strategie zahlt sich offenbar aus. Laut Audi liegen bereits mehr
als 20.000 Bestellungen vor. Ab Anfang Januar werden sie nun abgearbeitet. Das
ist später als geplant; auf der Zielgeraden bremsten Softwareprobleme den
Serienstart. Auch der Weg bis dorthin war nicht gerade problemlos – und zeigt
die schrägen Eigenheiten der Volkswagen AG, die der Konzern offenbar aus dem
Verbrenner- ins Elektrozeitalter retten möchte.

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