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CSU: Vorsicht, Kuschelkurs!

Erneuerungen können in der Politik eine furchtbar quälende
Sache sein. Man analysiert und diskutiert, gründet Kommissionen und befragt die
Basis. Über Monate durchdringt man das eigene Scheitern, nur um am Ende doch festzustellen,
dass man wieder einmal hinter den Erwartungen der Mitglieder und der
Öffentlichkeit zurückgeblieben ist.

Es sei denn, man ist die CSU. Dort erklärt man sich einfach
für erneuert, noch bevor jemand auf die Idee gekommen wäre, irgendetwas zu diskutieren.
Die Erneuerung wird nicht verhandelt, sie wird beschlossen. Und das Ganze
geschieht in einem Tempo, dass einem schon beim bloßen Zuschauen schwindlig werden kann.

Denn wer in diesen Tagen den CSU-Granden zuhört, die sich
zwischen den Klostermauern in Seeon zur jährlichen Klausur der
Bundestagsabgeordneten
getroffen haben, der hat in der Tat den Eindruck, man
habe es mit einer runderneuerten Partei zu tun.

Von der Revolution zum Seelenfrieden

Noch vor einem Jahr ging von Seeon aus der Ruf nach einer
“konservativen Revolution” durchs Land, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán war zu Gast und die CSU-Abgeordneten sprachen in düsteren Tönen vor allen
Dingen von der Migration, die für die Partei später zur “Mutter aller Probleme”
werden sollte.

Doch nachdem die konservative Revolution, die der
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ausgerufen hatte, an der
Konterrevolutionärin im Kanzleramt scheiterte und die CSU ziemlich gerupft aus
der Landtagswahl stolperte, hat sich zumindest der Ton heute ums Ganze gedreht.

“Streit lähmt, Streit langweilt, Streit nervt”, erklärte der
Ministerpräsident und baldige Parteichef Markus Söder
gleich zu Beginn und gab
nach einem Jahr voller Streit die Richtung vor, in die diese Klausur bitte schön
zu laufen habe. Friedlich will die CSU nun erscheinen, zugewandt und so
versöhnlich, dass an der Versöhnlichkeit wirklich überhaupt niemand mehr
zweifeln kann.

Bereits in den Wochen zuvor hatte Markus Söder in einer Art
barockem Bußgang die neue Demut der Christsozialen inszeniert. Er
gab zahlreiche Zeitungsinterviews, setzte sich in Talkshows, wo er nachdenklich
über den “Seelenfrieden” sprach, den seine Partei nun suche, und die “Fehler”,
die auch er selbst gemacht habe. Die große Läuterung, die bei der CSU im Gange war, sollte kein Geheimnis bleiben, sondern ein öffentliches Ereignis sein: Zerknirschung in Echtzeit. Seht her, wir haben wirklich verstanden.

Annegret Kramp-Karrenbauer wird gelobt

Auch in Seeon setzte Söder nun
seine Wandlung fort. Er, der noch im Sommer den Asylstreit mit der CDU zum
“Endspiel um die Glaubwürdigkeit” aufblies, wandte sich nun gegen
“Grundsatzdiskussionen” in der Migrationspolitik. Die Bürger wollten schließlich
Lösungen und keine Debatten. Und überhaupt habe man zuletzt ja genug über
Migrationspolitik geredet, 2019 könne es stattdessen auch wieder einmal um die
Wirtschaft gehen.

Und was für die Migrationspolitik gilt, gilt auch für das
Verhältnis der Schwesterparteien untereinander. Die Zeit der Profilierung auf
Kosten des jeweiligen Partners sei vorbei, erklärte Söder, stattdessen gehe es
um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, um Partnerschaftlichkeit und um
Respekt. In Berlin, mahnte Söder in einem Gespräch mit den
CSU-Bundestagsabgeordneten, solle man künftig mehr auf “Effizienz setzen, nicht
auf Effekt.”

Nachdem im Sommer die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU
noch kurz vor dem Bruch stand, wird nun die Versöhnung zelebriert. Am
Freitagabend kommt Annegret Kramp-Karrenbauer nach Seeon. Sie selbst habe den
Wunsch geäußert, mit den Bundestagsabgeordneten der CSU zu Abend zu essen, sagt
ein Abgeordneter. Die neue CDU-Vorsitzende wolle sich Zeit nehmen zum
Gespräch und das finde man sehr gut. Wie man AKK überhaupt gerade sehr gut
findet in der CSU. Markus Söder hat bereits öffentlich die Ähnlichkeiten
zwischen der neuen CDU-Chefin und dem neuen CSU-Chef betont, was aus seinem
Mund als hohes Lob gelten kann. Und auch sonst hört man bei den Christsozialen
niemanden, der sich irgendwie kritisch über die neue Vorsitzende äußern würden.
Im Gegenteil, Verbeugungen hier und dort. Die neue Geschlossenheit, man soll
sie fast mit Händen greifen können.

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