/Skispringen: Der lange Flug zur Gleichberechtigung

Skispringen: Der lange Flug zur Gleichberechtigung

Manchmal sind es die kleinen Sprünge, die man feiern muss. Wenn man merkt, dass es überhaupt vorwärts geht. Für Katharina Althaus und die anderen Skispringerinnen muss sich das etwa so angefühlt haben. Sie sind den Männern wieder ein Stück nähergekommen – ein kleines Stück näher an der Gleichberechtigung

Seit diesem Winter dürfen die Frauen endlich öfter von den Großschanzen starten. Bislang war das nur zweimal pro Saison der Fall. Jetzt sind es zehn von 29 Wettbewerben. “Wir haben hart dafür gekämpft”, sagt Katharina Althaus. Zehn von 29, das ist immer noch nicht viel. Aber wichtig für die Zukunft. Denn während den skispringenden Männern bei der Vierschanzentournee viele Millionen vor dem Fernseher zuschauen, sind Frauen, die sich von Schanzen stürzen, nur selten zu sehen.

Althaus ist seit vergangenem Jahr die Vorspringerin des ohnehin starken deutschen Teams. Zuletzt zeigte sie sich stärker denn je. Im Februar gewann sie Silber bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. In dieser Saison konnte sie sich zuletzt über drei Siege in Serie freuen. Als nächstes steht am 12. Januar in Sapporo der erste Start nach vier Wochen Pause an – von der Großschanze.

Manchmal nur Familie und Freunde

Die 22-jährige Oberstdorferin freut sich auf die sportliche Herausforderung. Sie glaubt aber auch, dass der Reiz für die Zuschauer steigt. Die Rechnung, sagt sie, ist ganz einfach: “Je weiter die Sprünge, desto mehr Menschen.” Im Moment finden noch zu viele Wettkämpfe vor annähernd leeren Rängen statt. Manchmal sind Familie und Freunde die Einzigen, die zusehen.

Geht es nach den Sportlerinnen, hätte es gar nicht so lange gebraucht. “Eigentlich sind wir schon lange bereit für die Großschanze.” Da spricht Althaus allerdings für die Deutschen. Deutschland, Norwegen, Österreich, Japan – lange waren sie es, die dominierten. Und mit Trainingsmöglichkeiten und Ehrgeiz auch entsprechenden Standard erreichten.

Nur waren die Unterschiede zwischen den Nationen zu groß und viele noch nicht bereit für die großen Schanzen. “Das hat sich aber inzwischen angeglichen”, sagt Katharina Althaus. Es springen mehr Frauen aus mehr Ländern. Auch wenn es natürlich noch weitergehen kann und muss. Wobei man sich beim Weltverband schon für die Großschanzenidee mit dem Wort “revolutionär” selbst lobte.

Lange verhinderten Vorurteile die Entwicklung. Körperliche Unterschiede wurden vorgeschoben. Der aktuelle Präsident des Weltverbands FIS soll einmal gesagt haben, bei der Landung könnte die Gebärmutter platzen. Ein deutscher Trainer mutmaßte, die Wirbelsäule nähme Schaden.

Etwas mehr Anlauf

Dabei reicht die Geschichte des Frauensprungs über einhundert Jahre zurück. Die Gräfin Paula von Lamberg sprang in Kitzbühel mit wehendem Kleid schon 1911 von der Schanze. Es war der erste offizielle Sprung einer Frau, mit 22 gemessenen Metern.

Heute springen Männer und Frauen von den gleichen Schanzen in der Spitze kaum unterschiedlich weit. “Wir brauchen nur etwas mehr Anlauf. Wir müssen auf mehr Geschwindigkeit kommen, weil wir beim Absprung weniger Kraft haben”, erklärt Katharina Althaus.

Trotzdem gibt es den Weltcup für Frauen erst seit 2011. Noch später, 2014 in Sotschi, wurde Skispringen für Frauen olympisch. Sonst hinkt bei der Gleichstellung im Schneesport nur die Nordische Kombination noch weiter hinterher: Dort gibt es gar keinen Frauenwettbewerb.

Immerhin: Olympia hat Türen geöffnet – zumindest einen Spalt breit. In Deutschland wird das Skisprungteam vom Verband voll gefördert. Die meisten im Kader sind Sportsoldatinnen oder arbeiten wie Katharina Althaus beim Zoll. Vor ein paar Jahren riet der Bundestrainer den Frauen noch, lieber einen echten Beruf zu ergreifen. Weil Sport eben nicht zum Leben reichte.

Hits: 7