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SPD: Irgendwas muss doch zünden

Vor gut zehn Monaten hatte Martin Schulz politisch alles verloren: den Parteivorsitz, die Aussicht auf das Amt des Außenministers, seine Führungsrolle in der SPD. Im Februar 2018 spazierte er mit seiner Frau durch Parkanlagen in Paris, um seine persönliche Niederlage zu verarbeiten. In einem Interview zitierte Schulz den irischen Schriftsteller Oscar Wilde: “Am Ende wird alles gut, wenn
noch nicht alles gut ist, dann war’s auch nicht das Ende.” 

Für die Post-Schulz-SPD bot der Rest des Jahres ebenfalls kein Happy End: In den Umfragen liegt die Sozialdemokratie inzwischen gleichauf
mit der AfD, bei etwa 15 Prozent. Und das, obwohl schon die 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2017 ein historisch schlechtes Ergebnis waren. Die neue Parteiführung um Andrea Nahles und Olaf Scholz hat den Abwärtstrend nicht stoppen können: Die letzten Landtagswahlen endeten einstellig (in Bayern)
oder hinter den Grünen (Hessen).

Doch nach den beiden
Wahlniederlagen fielen die traditionellen gegenseitigen Schuldzuweisungen aus. Selbst Juso-Chef und Groko-Gegner Kevin Kühnert, der sich in seinen Prophezeiungen
über einen drohenden sozialdemokratischen Untergang in der unbeliebten
Koalition bestätigt fühlen dürfte, wirkte kurz vor Weihnachten einfach nur noch müde.

Eingepfercht zwischen Grünen und AfD

Die Krise der SPD ist im Jahr 2018 solch
eine Konstante geworden, dass sie in der Partei zunehmend hilflos hingenommen wird. Es sei nicht mehr “so viel Fleisch” auf den
Knochen der Partei, sagte ein führender Genosse sorgenvoll: Längst muss sich die SPD fragen, ob sie
nicht genauso in die Irrelevanz schrumpfen wird wie beispielsweise die sozialdemokratischen Parteien in Griechenland oder Frankreich. Da helfen ihr auch die 155 Jahre Parteigeschichte wenig.       

2019 werde eines der “spannensten und entscheidensten Jahre” für die
SPD, sagt Vizechef Ralf Stegner. Fünf wichtige Wahlen stehen an: die Europawahl, bei
der die SPD fürchten muss, von den Grünen überflügelt zu werden. Dann die Landtagswahl in Bremen, bei der die SPD zum ersten Mal seit 1945 ihre Regierungsverantwortung verlieren könnte. Im September folgt die
Wahl in Brandenburg. Hier steht die SPD als Regierungspartei inzwischen auf einem Niveau mit
der AfD, bei 20 Prozent. Und dann kommen noch Sachsen und Thüringen, wo die Sozialdemokraten
traditionell eher schwach sind. Hier wäre es bereits ein Erfolg, der künftigen Regierung als Juniorpartner anzugehören.

Die SPD muss dringend ihr Loserimage abstreifen. Aber ihr fehlt eine unangefochtene Führungsfigur genauso wie zündende Themen zur Profilierung.

Andrea Nahles, seit April Parteichefin, und ihr Generalsekretär Lars Klingbeil arbeiten zwar unermüdlich an Papieren zum vielbeschworenen
Erneuerungsprozess. Beide haben angekündigt, zentrale Meinungsverschiedenheiten in der Parteiführung
(zum Beispiel zum Kurs in der Flüchtlings- und Umweltpolitik) klären zu wollen, notfalls per Mehrheitsentscheid. Doch bislang ist dies nicht passiert.

Andrea Nahles in seltsamer Doppelrolle

Nahles befindet sich zudem in einer kniffeligen Doppel- und heimlichen Dreifachrolle. Neben ihrem Amt als Parteivorsitzende musste sie als Fraktionschefin in den vergangenen Monaten viele Konflikte mit der Union
lösen – mehrfach stand die Koalition am Abgrund, da blieb wenig Zeit für Zukunftsbrainstorming. Vergessen scheint, dass sie
extra nicht Ministerin wurde, um als Parteichefin auch mal
Regierungskompromisse kritisieren zu können. Jetzt ist sie diejenige, die gleichzeitig Union und SPD bei Laune hält – ihre heimliche dritte Rolle, die eigentlich so
gar nicht zu ihrer ursprünglichen Jobbeschreibung passt.

Vizekanzler Olaf Scholz wiederum ist zwar höchst
zufrieden mit sich und seinem Wirken als Finanzminister. Allerdings fragen sich kritische Genossen, was an seiner Politik eigentlich sozialdemokratisch ist. Vielen wirkt sie eher wie ein geräuschloses Weiterverwalten des zuvor vom CDU-Mann Wolfgang Schäuble geführten Ministeriums. Wenn es schwierig wird, bleibt Scholz gern im Hintergrund.   

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