Claas Relotius, der als Reporter für den Spiegel und andere Medien jahrelang Berichte fälschte, hat sich über seine Anwälte erstmals ausführlich geäußert – und dabei bestritten, von ihm gesammelte Spenden für sich persönlich verwendet zu haben. Der Spiegel hatte am Wochenende berichtet, dass ihr damals noch freier Mitarbeiter 2016 nicht nur die Geschichte Königskinder über angebliche syrische Waisenkinder in der Türkei in großen Teilen erfunden, sondern auch privat Spendenaufrufe an Leser verschickt habe. Für die Mitteilung zu den Spenden habe Relotius “die Illusion über die reale Existenz des geschilderten Geschwisterpaars aufrechterhalten”, teilte die Kanzlei Unverzagt von Have mit.
Die Anwälte bestätigten, der Autor habe nach diversen Zuschriften spendenbereiter Leserinnen und Leser angeboten, Spendengelder über sein privates Konto zu sammeln und weiterzuleiten. Dies habe er getan, da nach Auskunft eines Vorgesetzten ein Spendenkonto beim Spiegel nicht zur Verfügung gestanden habe. “Zu keinem Zeitpunkt hat er jedoch beabsichtigt, Spenden selbst zu vereinnahmen. Eine solche Verwendung ist auch nie erfolgt”, schreibt die Kanzlei.
Tatsächlich habe ihr Mandant den bis dahin auf seinem Konto eingegangenen Spendenbetrag von insgesamt 7.000 Euro aus eigenen Mitteln auf 9.000 Euro aufgestockt und im Oktober 2016 an die Diakonie Katastrophenhilfe für ein Projekt zur Unterstützung von Flüchtlingskindern im Irak überwiesen. Die Hilfsorganisation bestätigte, das Geld erhalten zu haben.
Über seine Anwälte entschuldigte sich Relotius “ausdrücklich bei allen hilfsbereiten Spendern, die sich in ihrer Intention, an die von ihm geschilderten syrischen Geschwister zu spenden, getäuscht fühlen müssen”. Er werde allen Spendern ihr Geld vollständig zurückerstatten. Spiegel Online veröffentlichte die Mitteilung der Anwälte als Nachtrag
in seinem Beitrag Reporter täuschte Leser offenbar mit Spendenaufruf.
“Unser Mandant hat bereits eingeräumt, dass er bei seinen Reportagen – im Wesentlichen im Magazin Der Spiegel – über mehrere Jahre hinweg vielfach Fakten falsch dargestellt, verfälscht und hinzuerfunden hat”, teilte die Kanzlei weiter mit. Das Nachrichtenmagazin hatte den Fälschungsskandal Mitte Dezember öffentlich gemacht und der Reporter seinen Vertrag beim Spiegel gekündigt. Von ihm waren dem Magazin zufolge seit 2011 knapp 60 Texte im Heft und bei Spiegel Online erschienen.
Der Kanzlei zufolge ist Relotius bewusst geworden, dass er durch sein Verhalten dem Ansehen des Spiegel und der Presse insgesamt schweren Schaden zugefügt habe: “Er bedauert dies zutiefst und wird sich bemühen, diesen Schaden so weit wie möglich zu begrenzen.”
Claas Relotius hat in der Zeit von 2010 bis 2012 auch vier Texte für ZEIT ONLINE, einen Artikel für ZEIT WISSEN sowie eine Rezension in unserem Blog Tonträger geschrieben. Die Redaktionen überprüfen derzeit diese Beiträge. Unseren bisherigen Wissensstand dazu finden Sie in unserem Transparenz-Blog Glashaus.
Hits: 44