Bei den Gelbwesten in Frankreich laufen auch Schüler und Studierende mit. Es geht ihnen um Miete, Studiengebühren und schlechtes Mensa-Essen. Vier von ihnen erzählen.
Sie blockieren Kreisverkehre, Mautstationen und demonstrieren jeden Samstag im ganzen Land: Seit mehr als vier Wochen legen die Gelbwesten in Frankreich das öffentliche Leben teilweise lahm. Als Zeichen ihrer Wut tragen sie gelbe Warnwesten, Gilets Jaunes. Bei den Demonstrationen kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den Gelbwesten und der Polizei. Sechs Menschen sind gestorben, meist bei Zwischenfällen an blockierten Straßen. Ausgelöst wurden die Proteste Mitte November durch eine Benzin- und Dieselsteuer, die die Regierung ab 2019 erheben wollte. Präsident Emmanuel Macron hat die Maßnahme inzwischen zurückgezogen und versucht, auf die Wut der Demonstrierenden zu reagieren – zum Beispiel, indem er eine Erhöhung des Mindestlohns um 100 Euro pro Monat ankündigte.
Doch die Proteste gehen weiter. Die Demonstrantinnen wollen, dass die Regierung mehr Politik für die Bevölkerung auf dem Land und Niedrigverdienerinnen und -verdiener macht. Immer mehr Schüler und Studierende schließen sich der Bewegung an. Sie wollen, dass die Regierung mehr auf ihre Situation eingeht, auch wenn sie nicht unbedingt konkrete Forderungen haben. ZEIT Campus ONLINE hat mit vier von ihnen gesprochen.
“Nach den Klausuren wollen wir demonstrieren”
“Ich bin Teil der linkspolitischen Partei Ensemble à Gauche, und ich konnte mich von Anfang an mit den Gelbwesten identifizieren. Vor zwei Wochen war ich mit ein paar Freunden in der Mensa. Wir fanden alle, dass mehr Schüler und Studierende zu den Gelbwesten stoßen sollten. Da haben wir die Facebook-Gruppe ‘Gilets Jeunes’ gegründet – als Aufruf an die Jugend. Inzwischen haben wir 3.000 Likes, und es haben sich mindestens zehn lokale Gilets-Jeunes-Gruppen in ganz Frankreich gebildet. Wir werden unsere eigenen Demonstrationen organisieren – aber wahrscheinlich erst im Januar, nach den Klausuren.
Wir lehnen es ab, dass die Regierung den Wohnungszuschuss um fünf Euro
gesenkt hat. Und wir wollen nicht, dass Benzin immer mehr kostet. Auch wenn wir in gewisser Weise zu den Gelbwesten gehören, haben wir unsere eigenen Forderungen. Zum Beispiel sind wir gegen die Pläne der Regierung, hohe Gebühren für Masterstudiengänge einzuführen. An meiner Universität muss man ab dem nächsten Jahr für zwei Master jeweils 4.000 Euro anstelle von im Moment 256 Euro bezahlen.
Ich mache mir wirklich Sorgen um meine Zukunft. In Frankreich gibt es neun Millionen arme Menschen, und wir haben zehn Prozent Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten liegt sogar bei 25 Prozent. Um einen ersten Job nach dem Studium zu bekommen, verlangt man von uns Berufserfahrung, aber die können wir doch nur mit einem ersten Job bekommen. Unser Ausbildungssystem muss grundlegend reformiert werden. Hinzu kommt, dass die Regierung das Rentenalter immer weiter anheben will. Aber je später die Leute in Rente gehen, desto später werden auch ihre Jobs frei. Dann wird es für uns noch schwerer, Arbeit zu finden.
Was uns mit den Gelbwesten vereint, ist, dass wir gegen die Politik sind, die Emmanuel Macron führt. Die Regierung kümmert sich nicht mehr um das Volk – sie macht Politik für die Reichen. Das muss sich endlich ändern. Wir müssen diese Missstände aufzeigen. Der Job der Politiker ist es dann, Lösungen zu finden – schließlich bezahlen wir sie dafür.”
Dylan Champeau ist 20 Jahre alt, kommt aus Korsika und studiert Jura und Politik in Nizza in Südfrankreich. Er ist Mitbegründer der Gruppe “Gilets Jeunes” (Junge Westen) auf Facebook, der Jugendversion der “Gilets Jaunes” (Gelbwesten).
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