Eine Frau, die ungewollt schwanger ist, darf nicht auf unseriöse Infos im Netz angewiesen sein. Sie soll sich nicht durch Propagandavideos von sogenannten Lebensschützern navigieren müssen, sondern sachliche Antworten auf ihre Fragen finden: Wie läuft ein Schwangerschaftsabbruch ab? Welche Voraussetzungen gibt es? Welche Risiken? Wie hoch sind die Kosten?
Deshalb ist es richtig, dass sich die Ministerinnen in ihrem Kompromisspapier zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche darauf verständigt haben, dass “staatliche” beziehungsweise “staatlich beauftragte” Stellen künftig auch online über Abtreibungen informieren sollen. Dafür ist allerdings keine Gesetzesänderung nötig, das dürften sie auch heute schon. Und tun es auch, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Ähnlich verhält es sich mit einer bundesweiten Liste der Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen und die die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung künftig erstellen sollen. Auch das ist gut, wäre aber auf Landesebene ebenfalls ohne Gesetzesänderung möglich.
Je heikler ein Eingriff, desto wichtiger sind Informationen
Die einzige echte Neuerung, die es laut dem Kompromiss geben soll, ist diese: Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, dürfen künftig auf diese Tatsache hinweisen. Für weitergehende Informationen müssen sie dann aber auf die staatlichen Stellen verweisen.
Obwohl es also minimale Verbesserungen gibt, ist es für die betroffenen Frauen ein schwerer Schlag, dass die SPD nicht durchgesetzt hat, den Paragrafen 219a abzuschaffen.
Denn gerade wenn man dem Argument folgt, dass Schwangerschaftsabbrüche keine normalen medizinischen Eingriffe seien: Je heikler und umstrittener der Eingriff, je schwieriger die Entscheidung für die betroffene Frau ist, desto wichtiger ist es, dass sie alle medizinischen Informationen bekommt, die sie benötigt. Und zwar so einfach wie möglich.
Der Schutz des ungeborenen Lebens bliebe auch ohne den Paragrafen 219a erhalten, denn das Verbot von Abtreibungen ist in Paragraf 218 geregelt und der steht gar nicht zur Diskussion. Auch wenn sich Frauen also direkt auf den Webseiten ihrer Ärztinnen informieren dürften, bliebe die Beratungspflicht vor einem Abbruch bestehen.
Das Stigma bleibt
Der Kompromiss, der nun die Situation der Frauen verbessern soll, wird dieses Ziel verfehlen. Weil das Informationsverbot für Ärztinnen bestehen bleibt, bleibt auch das Stigma, das mit Schwangerschaftsabbrüchen verbunden ist. Viele Ärzte, die diese Leistung anbieten, wollen bereits heute nicht mehr darauf hinweisen, weil sie von sogenannten Lebensschützern bedroht und belästigt werden.
Eine Abschaffung des Paragrafen 219a wäre ein klares Signal gegen diese Art der Stimmungsmache gewesen. Weil dieses nun unterbleibt, ist zu befürchten, dass die Situation von Ärzten und Frauen sich eher noch verschlechtern wird. Schon heute finden ungewollt Schwangere in ländlichen Regionen oft nur schwer einen Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung durchführt (also innerhalb der ersten drei Monate auch dann, wenn keine medizinischen oder kriminologischen Gründe vorliegen). Laut dem Bundesverband von Pro Familia gibt es in Ostbayern schon heute keine einzige solche Klinik und nur drei Ärzte.
Den Medizinern kann man das nicht verübeln. Die Ärztin Kristina Hänel hat sich entschieden, den Kampf gegen den Paragrafen 219a auszufechten, aber es ist anzunehmen, dass die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen nur ihrer – äußerst wichtigen – Arbeit nachgehen wollen und keine Lust auf juristische Auseinandersetzungen haben.
Solange der Gesetzgeber sie nicht ausdrücklich in Schutz nimmt und sie vom Stigma und der Angst befreit, sich mit jedem Satz zu viel auf ihrer Webseite ins Illegale zu bewegen, werden immer weniger Ärztinnen bereit sein, Abbrüche durchzuführen. Wenn diejenigen, die es heute noch tun, in Pension gehen, wird das für die betroffenen Frauen zu einem echten Problem.
Der angebliche Kompromiss ist deshalb in Wahrheit ein Sieg der Abtreibungsgegner.
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