Bemerken wir, dass wir dabei sind, wenn etwas Bedeutsames passiert? Also etwas, von dem man auch in hundert Jahren noch sprechen wird? Im Fußball gibt es sie auch, die großen, Kategorie-Kalter-Krieg-Epochen, doch da ist noch die eine nie abschließend geklärte Frage: Welches wohl das beste Team aller Zeiten gewesen sein muss? Im engeren Rennen sind Ajax Amsterdam, trainiert von Johan Cruyff zwischen 1985 und 1988, und der AC Mailand unter Arrigo Sacchi, 1987-1991. Oder könnte es sein, dass man nur wenige Jahre zurückgehen muss?
Dann landet man beim FC Barcelona in den Jahren 2008 bis 2012. Die Zeit, als Pep Guardiola auf den Plan trat. Als er befördert wurde, vom Trainer der zweiten Mannschaft zum Chef in Barcelona, den Mitbewerber José Mourinho ausstach und in den kommenden vier Jahren vierzehn Titel gewann, darunter zweimal die Champions League. Er wurde zum prägendsten Fußballtrainer dieser Zeit. Sechs Titel gewann Barça alleine im ersten Jahr von Guardiola. Damit sichert man sich in den Fußballchroniken jedenfalls schon mal einen guten Platz.
“Barça hat etwas sehr Schönes geschaffen”
Doch wie groß war die Leistung? Die Doku Take the ball, pass the ball von Duncan McMath widmet sich fast zwei Stunden lang dieser Frage. Sie erscheint am Donnerstag als kostenpflichtiger Stream und als DVD auch in Deutschland, in Spanien und England brillieren Messi und Xavi schon eine Weile in den Kinos.
Zu Wort kommen fast alle Spieler dieser Ära: Xavi, Messi, Iniesta, Henry, Eto’o, Busquets, Piquet, Guardiola selbst und Konkurrenten, oder nennen wir sie besser Zeitzeugen, die sich auffällig huldigend dem Team gegenüber äußern. Zum Beispiel Michael Carrick, der mit Manchester United Barcelona im Champions League Finale 2011 unterlag. Oder der italienische Trainer Marcello Lippi, der gleich zu Beginn sagt: “Barça hat etwas sehr Schönes geschaffen.”
Pep, der Heilige
Sechs Kapitel sollen die These des Films beweisen: Das Barcelona von Pep Guardiola war das größte aller Teams. Und nun man kann ihm beim Wachsen zuzuschauen. Der Katalane aus Santpedor ist ein Heiliger, dessen Künste noch lange nach seinem Abschied zu sehen sein werden. Sagt zumindest der Film. Und vielleicht ist ja was dran, dass der Ballbesitzfußball, den Guardiola mit Barça erschaffen hat, die beste aller Interpretationen des Fußballs ist. Auch wenn diese Art Fußball zu spielen dieses Jahr etwas ins Hintertreffen geraten ist, vor allem nach dem erfolglosen Passfestival der Spanier, die im WM-Achtelfinale an den Russen scheiterten, und dem frühen WM-Aus der Deutschen.
Ist es besser, den Ball zu haben oder nicht? Diese Kernfrage wird jedes Jahr aufs Neue verhandelt, doch die Anhänger von Pep Guardiola müssen sie gar nicht mehr stellen: Noch nie hat jemand aus den Rahmenbedingungen – elf Spieler, ein Feld, 90 Minuten – so viel herausgepresst wie er, sagen sie. “Wenn du sagst, dass du den Fußball liebst, aber nicht Barcelona, dann hast du ein Problem”, sagt Thierry Henry, der von 2007 bis 2010 bei Barcelona spielte.
Die Branche ist ehrfürchtig. Ferguson, Capello, Gary Lineker, die Fußball-Influencer der Gegenwart, sie sind sich im Film einig: Barcelona unter Pep, so etwas werden wir so schnell nicht wiedersehen.
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