Ein
New Yorker Nachtclub, Ende der Fünfzigerjahre. Miriam “Midge” Maisel
steht wieder einmal beschwipst auf einer schmuddeligen Comedy-Bühne. Sie hat
ihr schwarzes Cocktailkleid mit Senf bekleckert, aber so schlimm ihr Kleid auch
aussieht – “mein Leben ist schlimmer”.
Midges
Mann hat sie für seine Sekretärin verlassen. Neben der Bühne steht eine Truppe
chauvinistischer Comedians, die sich über sie lustig macht, weil eine Frau
allenfalls zu Hause am Herd komisch sein darf. “Comedy wird angeheizt durch Unterdrückung, durch
Mangel an Macht, durch Trauer und Enttäuschung, durch Aufgeben und Erniedrigung”, sagt Midge.
“Nun, wen zum Teufel beschreibt das besser als Frauen?”
Die
berühmte amerikanische
Komikerin Joan Rivers, die als Vorbild für Amy Sherman-Palladinos (Gilmore Girls) großartige
Serie gilt, sagte einst: “Meine
Nummern kommen aus der totalen Tragödie. Mein Publikum ist meine
Gruppentherapie.” Rivers und Phyllis Diller gehörten zu den wenigen Comediennes der Fünfzigerjahre; sie ebneten den Weg für
Künstlerinnen wie Amy Schumer, Tig Notaro, Sarah Silverman, Leslie Jones,
Whoopi Goldberg, Ellen DeGeneres, Margaret Cho, Maya Rudolph, Iliza Shlesinger,
Amy Poehler, Tina Fey, Tiffany Haddish, Wanda Sykes, Jen Kirkman, Chelsea Handler oder Lisa Lampanelli.
Die fiktive Midge Maisel bewegt sich als Charakter zwischen zwei Extremen: ihrem bissigen, fast
schon hysterischen Bühnen-Ich und der absolut traditions- und stilbewussten
jüdischen Hausfrau von der Upper West Side. Für diese Darstellung wurde Rachel Brosnahan zur neuen Queen of Comedy erhoben,
sie erhielt sowohl den Golden Globe als auch Emmy als beste Schauspielerin in
einer Komödie.
Der
Erfolg von Mrs. Maisel lag wohl auch
daran, dass die Amazon-Produktion vor genau einem Jahr genau zum richtigen
Zeitpunkt kam. Sie erschien, kurz nachdem der damalige Chef der Amazon Studios,
Roy Price, wegen Vorwürfen sexueller Belästigung suspendiert worden war. Die
#MeToo-Debatte hatte gerade begonnen.
In
ihren scharfsinnigen Dialogen antizipierte die Showrunnerin und Autorin
Sherman-Palladino viele Themen, die im vergangenen Jahr ganz Hollywood
beschäftigen sollten: Alltagssexismus und Geschlechterdisparität. “Männer
behaupten, dass nur Männer lustig sind”, sagt Midge vor ihrem Publikum. In
einer anderen Szene lässt der Besitzer eines Comedy-Clubs sie fast nicht auf die Bühne,
weil er überzeugt ist, dass eine Frau nicht gleichzeitig hübsch und lustig sein kann.
Dass
diese Momente auch für heutige Comediennes leider noch Alltag sind, hat etwa Amy Schumer in einer bitteren Satire offenbart: In 12 Angry Men,
einer Parodie auf den Gerichtsklassiker Die
zwölf Geschworenen, urteilen zwölf Männer darüber, ob Schumer heiß genug
sei, um im Fernsehen aufzutreten.
Für Aufsehen sorgte zuletzt vor allem die australische Komikerin
Hannah Gadsby. Sie wiederholt in ihrer polemischen
Show Nanette auf Netflix gleich
mehrmals: “Ich muss aufhören mit der Comedy.” Sie merke zunehmend,
erklärte die Comedienne, dass es ihr nicht weiterhelfe, ihre Erfahrungen als
lesbische Frau humoristisch zu verarbeiten. Indem sie Witze über Genderfragen
und übergriffige Männer erzähle, füttere sie
vielmehr ihre eigenen Traumata.
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