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Zentrum für Politische Schönheit: Wer wäre nicht gern Denunziant

Vor einem Jahr enthüllte das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) ein Holocaust-Mahnmal auf Björn Höckes Nachbargrundstück. Jetzt hat es seine nächste Aktion gestartet: “Denunzieren Sie noch heute Ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren Sie Sofortbargeld”, heißt es im Video auf der Internetseite soko-chemnitz.de, die am Montag online ging. “Helfen Sie uns, die entsprechenden Personen aus der Wirtschaft und aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen.”

Das ZPS ist bekannt für seine Aktionskunst, die sich in den Dienst einer besseren Welt stellen will. “Aggressiven Humanismus” nennen sie ihre Interventionen. Das Konzept geht nur dann auf, wenn es Aufmerksamkeit erzeugt: für die eigene künstlerische Marke und das politische Anliegen. Deshalb zielt die Frage, ob das, was das ZPS mit Soko Chemnitz veranstaltet, überhaupt noch Kunst sei, ins Leere: Die Künstlerinnen und Künstler interessieren sich ausschließlich für die Auswirkungen ihres öffentlichen Handelns.

Tabubrüche sind das effektivste Mittel, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Jetzt bricht das Zentrum für Politische Schönheit das Tabu der Selbstjustiz: Rechtsextreme sollen bei ihren Arbeitgebern denunziert werden, sie sollen geächtet, entlassen oder zumindest so hart konfrontiert werden, dass sie sich bekehren und ihren “Wiedereintritt in die Bundesrepublik” erklären. 

Der Ton des ZPS ist satirisch – auf der Website von Soko Chemnitz wird zum “Mithetzen” gegen “Problemdeutsche” und “Gesinnungskranke” aufgerufen –, sein Anliegen ist es nicht: Mit der Aktion will es nichts Geringeres als die Demokratie retten, von der sich die etwa 1.500 identifizierten Rechtsextreme seinen Recherchen zufolge entfernt haben.

Höchste moralische Berufung

Dass Selbstjustiz verboten ist, weiß Philipp Ruch, der Leiter des ZPS, natürlich selbst. Auf der Pressekonferenz in Berlin erwähnt er nicht umsonst mehrmals seine Rechtsberater. Der Tabubruch wird aber nicht genüsslich-provozierend vorgetragen, wie man das von Künstlern wie Jonathan Meese oder vom Satiriker Jan Böhmermann kennt. Sondern mit der Gravität höchster moralischer Berufung: Die schwarze Bemalung der Gesichter, die alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentrums während öffentlicher Auftritte tragen, symbolisiere laut Ruch den “Ruß der deutschen Geschichte”. Was es heute brauche, sei eine veritable “zweite Entnazifizierung”.

Zentrum für Politische Schönheit – »Wir haben euch gesehen, und es war kein Ausrutscher«
Ein Künstlerkollektiv hat Fotos und Videos von rechten Demonstrationen ausgewertet. Mehr als hundert Teilnehmer wollen sie bei deren Arbeitgebern melden.

© Foto: Reuters TV

Die Aktion des ZPS ist doppelt anmaßend und wahrscheinlich auch in zweierlei Hinsicht illegal: Das Künstlerkollektiv hat ohne berechtigtes Interesse Daten über Dritte gesammelt und ausgewertet; damit verstößt es wohl gegen die Datenschutzgrundverordnung. Und es ist im Begriff, diese Daten an die Arbeitgeber der ausgewerteten Menschen weiterzugeben. Man werde in den nächsten zwei Wochen 100 Firmen kontaktieren, hieß es auf der Pressekonferenz. Es ist davon auszugehen, dass viele Betroffene auf Unterlassung klagen werden. Und anders als bei früheren Aktionen wird sich das Zentrum für Politische Schönheit nur schwer mit dem Argument der Kunstfreiheit gegen diese Klagen wehren können: Anonyme Rechtsextreme sind als Personenkreis sicher interessant. Personen öffentlichen Interesses sind sie nicht. Ihre Denunziation gegenüber dem Arbeitgeber ist keine künstlerisch wertvolle oder ironische Schmähung.

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