/Vanessa Paradis: “Mein Leben ist nicht hart, glauben Sie mir”

Vanessa Paradis: “Mein Leben ist nicht hart, glauben Sie mir”

Vanessa Paradis betritt schwungvoll und ganz in Beige gekleidet die Hotelsuite in Paris, in der wir zum Interview verabredet sind. Sie ist eine Berühmtheit, seit sie als 14-Jährige mit dem Song
Joe le taxi
einen weltweiten Hit landete. Das war 1987. Seitdem ist sie als Musikerin, Schauspielerin und Model erfolgreich und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Für Aufsehen sorgten auch ihre Liebesbeziehungen mit prominenten Kollegen wie etwa Lenny Kravitz. Besonders viel Aufmerksamkeit zog ihre Verbindung mit dem Hollywoodstar Johnny Depp auf sich, dem Vater ihrer beiden Kinder Lily-Rose und Jack. Vor sechs Jahren endete diese Beziehung.

Im vergangenen Sommer heiratete Paradis den französischen Filmemacher Samuel Benchetrit. Es ist ihre erste Ehe.

In ihren seltenen Interviews weicht sie Fragen nach ihrem Privatleben stets elegant aus. Paradis nimmt sich ein Beutelchen Tee, gießt heißes Wasser darüber und bietet dem Gast ebenfalls ein Heißgetränk an.

Vanessa Paradis: Guten Morgen, von woher kommen Sie an diesem nassen Vormittag?

ZEITmagazin: Aus Hamburg, also aus der Stadt, in der Ihr guter Bekannter Karl Lagerfeld
aufgewachsen ist. Wie gut ist eigentlich sein Französisch?

Paradis:
Der spricht besser Französisch als ich! Mir hat er einmal erzählt, dass er von klein auf Französisch und Englisch lernen musste, dafür habe seine strenge Mutter gesorgt. Mein Deutsch dagegen ist eher schlecht
(auf Deutsch):
“Ich möchte eine Zigarette rauchen.” Deutsch hatte ich mal in der Schule. Lange her, fast alles weg.

ZEITmagazin: Karl Lagerfeld, der mit 85 Jahren immer noch für Chanel arbeitet, hat auch das Kleid
entworfen, das Sie in dem Video zu Ihrer neuen Single tragen, Ces mots simples. Überhaupt
sind Sie immer auffällig elegant gekleidet. Wie wichtig ist zum Beispiel Coco Chanel, die
1971 gestorbene legendäre Gründerin des Modehauses, für Sie?

Paradis:
Coco Chanel hat alle Frauen beeinflusst. Sie war eine unabhängige, starke Frau und hat eine radikal neue, bequem zu tragende Mode entworfen in einer Ära, in der Frauen noch mit Korsetts und riesigen Hüten auf die Straße gingen. Wenn Sie mich fragen, hat Coco Chanel in den Zwanzigerjahren die Street-Fashion

erfunden. Sie ist ein Vorbild.

ZEITmagazin: Der britische Musiker und Songwriter Neil Hannon führt Ihr Lied Joe le taxi gern
bei Konzerten auf, obwohl er, so wie ich leider auch, kein Französisch kann. Er behauptet,
dass man französische Songtexte nicht verstehen müsse, um erahnen zu können, worum es in
ihnen geht. Ist da nicht vielleicht etwas dran?

Vanessa Paradis in einem “superfranzösischen” Moment, 1999
© Liaison/Getty Images

Paradis:
Nein, das ist ein Irrtum! Man spürt natürlich die Emotionen, die Stimmung in einem Lied, auch wenn man der Sprache, in der es vorgetragen wird, nicht mächtig ist. Aber ob ein Stück nun traurig oder fröhlich ist, erahnt man doch nicht nur bei französischen Songs, oder? Sie tun übrigens auch den Songtexten auf meinem neuen Album
Les Sources
unrecht, wenn Sie glauben, die ohne Französischkenntnisse verstehen zu können. Das kann ich ohne jede Eitelkeit behaupten, da nur einer dieser Texte von mir stammt. Ich verrate Ihnen aber gern, worum es bei diesen Liedern geht: um die Liebe, die Liebe und nochmals die Liebe! Aber auch um das Leben und die Träume und Hoffnungen, die man sonst so hat. Das müssen allerdings nicht unbedingt meine ganz persönlichen Träume und Hoffnungen sein. Ziehen Sie aus diesen Texten also lieber keine Rückschlüsse auf mein Privatleben.

ZEITmagazin: Die meisten Songtexte auf diesem Album hat Ihr frisch angetrauter Ehemann verfasst,
der Filmemacher und Schriftsteller Samuel Benchetrit. Wie stark haben Sie sich am
Schreibprozess beteiligt?

Paradis: Ich habe ihm deutlich gemacht, was ich mit den Texten ausdrücken möchte. Wir haben einen sehr ähnlichen Blick auf die Welt, seine Perspektive passt zu meiner.

ZEITmagazin: Einer der Songs ist auf Italienisch. Sprechen Sie das auch?

Paradis: Ein italienischer Sänger, der in Paris lebt, Fabio Viscogliosi, hatte mir vor vier Jahren mal einen Song zukommen lassen, der mir gut gefallen hat. Ich verstehe allerdings kein Italienisch, womit wir wieder bei Ihrer These sind, dass man einen Songtext nicht verstehen muss, um den Song zu mögen. Dieser klang jedenfalls auf Italienisch toll. Ich habe mir den Inhalt des Textes erklären lassen und beschlossen, den Song zu singen. Ein italienischer Freund hat mir geholfen, die Aussprache hinzubekommen.

ZEITmagazin: Als Produzenten haben Sie den relativ unbekannten Briten Paul Butler von der
Indiepop-Band The Bees angeheuert. Wie sind Sie auf den gekommen?

Paradis:
So unbekannt ist der gar nicht. Er hat
Home Again
produziert, das Debütalbum des Soulsängers Michael Kiwanuka, und das verehre ich über alles, denn es vereint alles, was ich an der Musik liebe: den Soul der Siebziger und einen Reichtum an Facetten, der meiner Ansicht nach bei neuerer Musik längst auf der Strecke geblieben ist. Heutzutage werden doch alle Feinheiten am Computer glatt gebügelt. Paul Butler hingegen beherrscht die verlorene Kunst, kleinste Details herauszuarbeiten. Er kennt sich in der Musikgeschichte aus und arbeitet mit historischem Equipment, also mit alten Mikrofonen, Verstärkern, Aufnahmegeräten und Mischpulten. Es ist das Gegenteil von dem digitalen Lärm, der heutzutage von vielen so gern genommen wird. Ich liebe richtige Klänge: Streicher, Bläser, Hintergrundgesang, all diese Dinge, die für mich den Zauber von Musik ausmachen.

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