Das Jahr 1986 war ein gutes Jahr für Metal: Metallica veröffentlichten „Master Of Puppets“, Megadeth „Peace Sells… But Who’s Buying?“, Iron Maiden „Somewhere In Time“. Doch das Album, dass für besonders viel Aufsehen sorgte, war Slayers „Reign In Blood“: Die Songs über Satan, Serienkiller und KZ-Ärzte schockten, ebenso der Sound, aus dem alles Warme und Elegische ausradiert war. Für viele ist es das beste Thrash-Metal-Album aller Zeiten, mit Sicherheit ist es eines der schnellsten und brutalsten – in nicht mal 30 Minuten knüppelten die vier Kalifornier gnadenlos alles nieder, was man bis dato über Metal wusste.
Slayer haben damit nicht nur den Grundstein ihrer eigenen Karriere gelegt, sondern die weitere Entwicklung von Metal insgesamt verändert. Die Bands, die sich auf sie berufen, sind Legion, Genres wie Death- und Black-Metal wären kaum denkbar ohne die Vorarbeit der Band, die mit Metallica, Megadeth und Anthrax zu den „Big Four“ des Thrash Metal zählt.
Nach zwölf Studioalben und über 3000 Konzerten, geht nun eine Ära zu Ende: Im Januar informierten Slayer ihre Fans darüber, dass sie sich nach einer letzten Welttournee auflösen werden. Hauptgrund dürfte der Tod von Gitarrist und Hauptsongschreiber Jeff Hanneman vor fünf Jahren sein, aber auch der Umstand, dass der 57-jährige Sänger und Bassist Tom Araya nach Jahren des exzessiven Headbangens ernste Probleme mit der Wirbelsäule hat.
Meterhohe Feuerfontänen
Am Sonntag öffneten sich in der Großarena am Ostbahnhof die Tore zur Hölle also ein letztes Mal in Berlin: Die drei Vorbands – alles selbst Metal-Legenden wie Anthrax, Lamb Of God und Orbituary – haben ordentlich eingeheizt, als endlich vier riesige Kreuze auf der Leinwand erscheinen, die sich langsam auf dem Kopf drehen. „Repentless“ vom letzten 2015 veröffentlichten Album eröffnet den finsteren Reigen, Feuerfontänen fauchen meterhoch über die Bühne, Flammen züngeln um zwei metallene Pentagramm-Logos.
„God Hates Us All!“, brüllt Tom Araya in „Disciples“ über die Köpfe der rund 10.000 Fans, die den Schlachtruf vieltausendfach wiederholen, während der kettenbehangene Kerry King mit Höchstgeschwindigkeit in seine Saiten schreddert. Seine Solos sind kurz, schnell und dissonant – die Vertonung eines Amoklaufes.
Beim Klassiker „Raining Blood“ kocht der Saal
„Blood Red“, „Hell Awaits“, „War Ensemble“, „Postmortem“, „South Of Heaven“, „Black Magic“ – Slayer rasen durch ihre Diskografie, fast jedes Album ist mit mindestens einem Song vertreten. Inhaltlich geht es wie gewohnt um Tod und Teufel: Die Texte, die von Mördern, Wahnsinnigen und Kriegstreibern handeln, triefen ebenso vor Blut wie die Albencover. Balladen oder ähnlichen Unfug gibt es nicht – Slayer haben sich dem Negativen verschrieben, die einzigen Emotionen, die sie zulassen, sind Wut und Aggression.
Die Band liefert das Gewünschte, aber streckenweise doch ein wenig zu routiniert: Dass dies die große Abschiedstour sein soll, ist nur an wenigen Stellen zu spüren. Publikumskommunikation ist ohnehin nicht die Stärke von Slayer. Arayas Ansagen bestehen meist aus Phrasen. Unwichtig – die Fans sind hier, um ein letztes Mal ihre Helden zu feiern: Beim Klassiker „Raining Blood“ kocht der Saal, halbvolle Bierbecher fliegen herum, tausende Köpfe headbangen, was das Zeug hält. Die Bühne lodert lichterloh im Schein des Feuers, zwei Banner zeigen Reichsadler, die das blutige Band- Logo in den Klauen halten – das Spiel mit NS-Symbolik ziehen Slayer seit Anbeginn ihrer Karriere ebenso konsequent wie stumpfsinnig durch, auch darin sind sie sich treu geblieben. Kontroversen lösen sie damit heute nicht mehr aus, längst ist man anderes gewohnt.
Ein würdiger Karriereabschluss
Apropros stumpfsinnig: Als zum Schluss „Angel Of Death“ ertönt, entrollt sich auf der Leinwand das Logo der Biermarke Heineken, dessen Namenszug durch „Hanneman“ ersetzt wurde. Das gleiche Logo befand sich auf der Gitarre von Hanneman, der an den Folgen einer alkoholbedingten Leberzirrhose starb.
Andererseits: Sentimentalitäten haben bei einer Band wie Slayer auch nichts zu suchen – sie sind ja nicht Metallica. Auch dass sie nun aufhören, ist zu verkraften: Musikalisch haben Slayer schon lange ihren Zenith überschritten – ein zweites „Reign In Blood“ ist ihnen in den letzten 20 Jahren nicht geglückt und längst gibt es extremere Gruppen als sie.
So gibt es nach dem letzten Song weder eine Zugabe noch lange Abschiedsreden: Tom Araya steht nur lange auf der Bühne, schaut ein letztes Mal ins Rund, lächelt und faltet zum Dank die Hände, auch King kommt noch einmal nach vorne und reckt die Arme wie ein Preisboxer nach oben. Das war’s, und vermutlich ist es besser so. Die Metal-Ikonen haben einen würdigen Abschluss ihrer Karriere gefunden. Rockbands werden nun mal älter, aber meist nicht besser.
Hits: 7