Der letzte Einsatz in der Startformation liegt jetzt schon sieben Wochen zurück. Als Hertha BSC Anfang Oktober unter großem öffentlichen Andrang seine E-Sport-Akademie eröffnete, entschieden sie sich im Verein für einen Repräsentanten, der im Grunde alle denkbaren Kriterien erfüllte. Der Auserwählte war und ist Mitglied der Profi-Mannschaft und spielt in seiner Freizeit gern mal Fußball auf dem Computer oder auf der Konsole. Obendrein war er mit seiner Jugendlichkeit der perfekte Vertreter für die vornehmlich junge Zielgruppe, auf die es der Berliner Bundesligist mit dem neuen Tätigkeitsfeld abgesehen hat.
In der weltweit populärsten Fußball-Simulation, einem Spiel namens „Fifa 19“, trat Jordan Torunarigha also gegen Elias Nerlich an, den Kapitän der neu gegründeten E-Sport-Mannschaft. Die Erfolgsaussichten des Fußball-Profis waren zwar in etwa so groß wie die eines Kreisligastürmers im direkten Duell mit Torunarigha, am Ende ging das Match 0:2 verloren. Trotzdem hatte der 21-Jährige ganz offensichtlich Spaß an seiner Aufgabe. In der Abwehr seines Computer-Teams stellte Jordan Torunarigha seinerzeit übrigens einen hochgehandelten, jungen Innenverteidiger auf: einen gewissen Jordan Torunarigha.
In der Rückrunde der vergangenen Saison war der gebürtige Chemnitzer eine der Entdeckungen im Berliner Kader; er kam auf zwölf Einsätze und durfte sich sogar über sein erstes und bisher auch einziges Bundesliga-Tor freuen. Zuletzt war Torunarigha allerdings weitestgehend von der Bildfläche verschwunden.
Nach Lage der Dinge wird er seinem Job an diesem Samstag mal wieder von Beginn an und auf dem Feld nachgehen dürfen – und nicht nur als virtuelles Männchen auf einem Bildschirm. Wenn Hertha BSC bei Hannover 96 antritt (15.30 Uhr/live bei Sky), kehrt er neben den dienstältesten Hertha-Profi, Fabian Lustenberger, in die Innenverteidigung und die Startformation zurück.
„Jordan hat in dieser Woche einen guten, stabilen Eindruck gemacht“, sagt Trainer Pal Dardai, „das ist sehr positiv für uns.“ Die lästigen Probleme an der Achillessehne, mit denen sich Torunarigha fast zwei Monate lang herumgeschlagen hat, sind bis auf Weiteres auskuriert. Wie es dem 21-Jährigen mittlerweile geht und welche Erwartungen er mit seinem Comeback verbindet, war in dieser Woche leider nicht in Erfahrung zu bringen. Torunarigha lehnte sämtliche Interviewanfragen freundlich ab.
Torunarighas Rückkehr kommt zum richtigen Zeitpunkt
So oder so: Seine Rückkehr kommt für Hertha BSC genau zum richtigen Zeitpunkt. Durch die Verletzungen der Stammkräfte Niklas Stark und Karim Rekik sind die Defensiv-Optionen für Coach Dardai überschaubar geworden. Im vergangenen Heimspiel gegen Hoffenheim (3:3) etwa verdingten sich Lustenberger und der Niederländer Derrick Luckassen im Abwehrzentrum, die Abstimmungsprobleme des Gespanns waren allerdings nicht zu übersehen.
Nach gut 20 Minuten, die Berliner lagen früh 0:2 hinten, schickte Dardai Torunarigha schon mal sicherheitshalber zum Warmmachen hinter das Tor. Letztlich entschied er sich gegen einen frühen Wechsel, weil die Stammformation mit fortwährendem Verlauf an Sicherheit gewann und immerhin noch einen Punkt holte.
„Ich werde nie sagen: Weil der oder der auf dem Platz stand, haben wir viele Gegentore kassiert“, betont Dardai. „Wir suchen den Fehler nicht bei einzelnen Spielern.“ Nach zuletzt zehn Gegentoren in den drei Begegnungen gegen Leipzig, Düsseldorf und eben Hoffenheim ist es jedoch ein offenes Geheimnis, dass Dardai der Sinn nach Veränderung steht. „Wir müssen wieder dahin kommen, in der Verteidigung die richtigen Entscheidungen zu treffen“, sagt der ungarische Trainer. „Wir dürfen uns nicht die Köpfe verdrehen lassen und nur offensiv denken.“
Inwiefern Torunarigha zu diesem Unterfangen beitragen kann, wird sich am Samstag zeigen. Bei seinem Kurzeinsatz vor drei Wochen in Düsseldorf, dem ersten nach sechs Spielen Zwangspause, unterliefen dem deutschen U-21-Nationalspieler noch ungewohnt viele Stellungs- und Konzentrationsfehler. Dardai lässt im Umgang mit seinem Hochbegabten trotzdem Nachsicht walten: „Das ist längst vergessen und wird ihm nicht mehr passieren.“
Dardai vertraut darauf, dass die von ihm erdachte Abwehrformation mit Lustenberger und Torunarigha der Mannschaft die Sicherheit geben kann, die ihr zuletzt häufiger mal abhanden gekommen ist. „Ich mag es, wenn halblinks ein Linksfuß spielt und halbrechts ein Rechtsfuß“, sagt der 42-Jährige. Dadurch müssen sich die Innenverteidiger den Ball zur Spieleröffnung nicht erst auf den richtigen Fuß legen. „Es gibt dann keine Rhythmuswechsel“, betont Dardai.
Für Torunarigha spricht darüber hinaus ein weiteres, unschlagbares Argument: die Statistik. Wenn er in dieser Saison in der Startformation stand, hat Hertha BSC noch kein einziges Spiel verloren – nicht die schlechtesten Voraussetzungen also für das Duell am Samstag in Hannover, zumal die Berliner nun schon seit ihrem großen Erfolg über den nicht mehr ganz so großen FC Bayern München auf einen Sieg warten. Ihren Glücksbringer Torunarigha jedenfalls haben sie endlich wieder an Bord.
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