Verlieren Sie langsam den Durchblick zwischen all den
horizontalen und vertikalen Serien auf Netflix, Amazon, Sky und im Free-TV?
Oder sind Sie einfach nur auf der Suche nach gutem Fernsehen, wollen womöglich
sogar gepflegtes Binge Watching betreiben? In unserer Kolumne “Hildegard
von Binge” besprechen wir die interessantesten Neustarts des Monats.
“Dogs of Berlin”
Fußballstars aus der Bundesliga, die plötzlich ihre Spiele verhauen, ein Wettmafia-Pate namens Kovac – allein für diesen Plotpoint müsste der Regisseur Christian Alvart schon Post von Uli Hoeneß bekommen haben. Manipulationen im Profifußball und korrupte Sportfunktionäre reichen dem Schöpfer von Antikörper und sämtlichen Tschiller-Tatorten aber noch lange nicht. In seinem Netflix-Seriendebüt Dogs of Berlin kommen außerdem vor: libanesische Clans, Marzahner Neonazis, türkische Rocker und Prenzlberger Punks. Und der Rapper Haftbefehl.
Die Idee, eine Geschichte über libanesische Clans in Berlin zu verfilmen, hatte Alvart nach eigenem Bekunden schon 2009, der Erstkontakt zu Netflix entstand im Sommer 2015. Man kann sich den Ärger aller Beteiligten vorstellen, als 4 Blocks bei TNT im vergangenen Jahr alles an Preisen auf dem Markt abräumte.
In Dogs of Berlin sollen Clanmitglieder für den Mord an einem deutsch-türkischen Nationalspieler verantwortlich sein. Auf den Fall angesetzt ist das – wie es in Pressetexten so gerne heißt – “ungleiche Duo” aus Kurt Grimmer (Felix Kramer) und Erol Birkan (Fahri Yardim). Der eine ist ein charismatischer, korrupter Spielsüchtiger mit Neonazivergangenheit, der andere ein Aufsteiger aus einer Berliner “No-Go-Area”, schwul und mit massivem Vaterproblem.
Die Handlung ist genauso unkontrollierbar wie die Charaktere. Für Feingeister ist Dogs of Berlin definitiv nichts, und so manche Dialogzeile tut so weh wie die “Eierspeise” genannte Bestrafung der Neonazi-Kameradschaft. Wer sich aber im Advent mal so richtig wegballern will, ist hier bestens bedient: Dogs of Berlin ist over the top, klischeestrotzend und heillos übertrieben, aber in seiner Hemmungslosigkeit auch irgendwie entwaffnend. Die Böseste unter all den Chabos und Babos ist übrigens eine Frau: Wenn Katrin Sass als Nazi-Oma schwarzhaarige Kinder von der Rutsche jagt und die rechte Revolution predigt, kriegt man wirklich Angst.
(Carolin Ströbele)
Die zehn Folgen von “Dogs of Berlin” laufen ab 7. Dezember auf Netflix.
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