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Mariana Harder-Kühnel: Mehr Qual als Wahl

Fast ein Jahr lang lag die Frage auf Eis, ob die AfD jemals das Amt eines
Vizepräsidenten des Bundestags besetzen wird. Ihr erster Kandidat, Albrecht Glaser, war
dreimal durchgefallen. Er hatte über den Islam gesagt, eine Religion, die selbst keine
Religionsfreiheit gewähre, könne auch keine beanspruchen. Zäh hielt seine Fraktion an ihm fest
und spielte bockig mit dem Gedanken, dann halt gar niemanden mehr vorzuschlagen. Jetzt aber
kommt Bewegung in die Sache. Ist eine Mehrheit im Bundestag inzwischen bereit, eine Kandidatin
der AfD zu wählen? Diese Frage ist ein weiterer Testfall für die Souveränität der etablierten
Parteien im Umgang mit ihren Gegnern.

Die AfD hat die 44-jährige hessische Juristin Mariana Harder-Kühnel nominiert. Harder-Kühnel hatte sich gegen fünf männliche Mitbewerber durchgesetzt, mit ein bisschen Hilfe aus dem Fraktionsvorstand. Sie sei “AfD pur”, sagte sie in einer kurzen Vorstellungsrunde über sich. Sie rechne sich weder dem rechten Flügel noch der gemäßigten “Alternativen Mitte” zu und werde mit allen reden. Sie ist Mutter von drei Kindern und hat sich im Bundestag bisher vor allem mit Familienpolitik befasst. Kategorisch spricht sie von “Frühsexualisierung” an den Schulen und hält strikt am Werbeverbot für Abtreibungen fest. Sie sagt, sie könne sich vorstellen, auch die eigene Fraktion einmal zur Ordnung zu rufen.

Mit Harder-Kühnels Nominierung hat die AfD den anderen Parteien eine herausfordernde Botschaft geschickt. Sie lautet in etwa: “Wenn ihr die hier nicht wählt – eine einigermaßen sachliche, jüngere Frau ohne Ausfallschritte nach rechts –, dann seid ihr keine Demokraten.” Dann würde sich bewahrheiten, was der AfD-Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Braun seit dem Scheitern des ersten Kandidaten glaubt: “Wir hätten auch Mutter Teresa oder den Dalai Lama aufstellen können. Jeder wäre abgelehnt worden.”

Denn damals, bei Glaser, hatte beispielsweise der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider noch gesagt: “Die AfD hat grundsätzlich Anspruch auf diesen Posten. Aber wir werden uns stets die Einzelperson genau ansehen.” Nun sagt derselbe Carsten Schneider, seine Fraktion werde keinem Kandidaten der AfD zustimmen, solange dieser sich nicht vom Rechtsextremismus distanziere. Seine Forderung begründet er mit Chemnitz: mit dem Schweigemarsch, auf dem AfD-Größen neben Pegida und anderen Rechtsextremen durch die Straßen marschierten.

Bei Redaktionsschluss war Harder-Kühnel noch nicht offiziell vorgeschlagen. Aber Wolfgang Kubicki, FDP-Vizepräsident des Bundestags, zeigt sich bereits überzeugt: “SPD, Grüne und Linke werden Frau Harder-Kühnel wohl nicht wählen, weil bei ihnen der Kampf gegen rechts einfach genetisch ist”, so der Anwalt. “Die Grenzen zwischen rechts und rechtsextrem werden dabei immer mehr verwischt. Speziell in der Lage, in der die SPD sich befindet, die in Umfragen ja schon unter die AfD gesackt ist, kann man wohl keine sportliche Fairness erwarten. Da herrscht die schiere Verzweiflung.”

Es gibt tatsächlich ein paar Schlüsselszenen, die fast allen Abgeordneten einfallen, wenn man sie fragt, wie die Parlamentarier sich so geschlagen haben im Umgang mit der AfD. Und da spielt die SPD die Hauptrolle: der Auftritt von Martin Schulz, der die AfD in einer Generaldebatte auf den “Müllhaufen der Geschichte” werfen wollte. Der von “Faschismus” gesprochen hatte, zu kräftigem, stehendem Applaus. Oder sein Parteifreund Johannes Kahrs, der gerufen hatte “schauen Sie in den Spiegel: Hass macht hässlich”, worauf die Fraktionschefin Weidel empört mit dem Fuß aufstampfte und die AfD dann geschlossen den Plenarsaal verließ.

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