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Cebit: Ach, die gab es noch?

Mit
der Cebit ist es wie mit einem einst gefeierten Star: Ihre besten Zeiten hat
sie lange hinter sich, fast war sie schon vergessen, als die Nachricht vom
endgültigen Aus sie ein letztes Mal ins Rampenlicht zerrte. Diese Nachricht vom Ende der Computermesse kam am Mittwoch, verkündet von der Deutschen Messe. Für 2019 hätten sich schlicht zu wenige Unternehmen angemeldet,
hieß es. 

Das Ende kommt nicht überraschend, Beobachter rechneten seit Jahren damit
– mancher mag sogar darauf gewartet haben. Schon 2018 hatten nur noch 2.800 Aussteller einen Stand in Hannover gemietet. Die
Cebit, einst als visionäre Zukunftsmesse gefeiert, war zum Schluss nur noch
eine Pflichtveranstaltung.   

Lange
hatte die Deutsche Messe versucht, den Bedeutungsverlust zu
kaschieren, die sinkenden Zahlen der Aussteller, der Besucherinnen und Besucher.
Man sagte, die Cebit sei ja eine Fachmesse, die Besucherzahlen nicht so wichtig.
Man sagte, einige große Unternehmen wie die Telekom seien zwar gegangen, dafür aber neue dazugekommen.

Sitzwürfel – ein Symbol des Scheiterns

Selbst
im Juni 2018, als die – wie wir nun wissen – letzte Cebit stattfand, hieß es,
die vielen freien Flächen mit den blau-grünen Teppichen und den Sitzwürfeln
seien ja von den Ausstellern gewünscht. Die breiten Gänge zwischen den Ständen
erklärte das nicht. Letztlich waren die Sitzwürfel schon damals ein Symbol
des Scheiterns.

Dabei
war die Cebit mal eine große Nummer. Zu ihren Spitzenzeiten pilgerten 830.000
Menschen in die niedersächsische Hauptstadt, stiegen am Hauptbahnhof aus,
quetschten sich in die übervollen Straßenbahnen und zuckelten damit bis zum riesigem Messegelände im Süden der Stadt. Dort deckten sie sich an den Ständen mit Gadgets
ein, horteten Werbegeschenke, Aufkleber und Broschüren und lauschten Tech-Idolen wie Microsoft-Manager Bill Gates
oder Steve Ballmer. Voll beladen, müde, mal betrunken, mal inspiriert fuhren sie zurück nach Bottrop, Bangkok, Baltimore.

Der
Spiegel bezeichnete die Cebit in
diesen Zeiten als “Leitmesse für technologische Trends”, die Welt schrieb über die immer neuen Ausstellerrekorde
der Cebit
, in der ZEIT sprach man von einer “Hightechmesse”, auf der das Internet der “große Star” sei. Die Veranstaltung
war so erfolgreich, dass die Deutsche Messe mit der Marke sogar international expandierte:
Es gab eine Cebit Asia, eine Cebit Australia, für zwei Jahre auch eine Cebit
America/USA. Wer irgendetwas auf Computer oder Digitalisierung gab, den verfolgte sie geradezu – egal wohin.

Doch
irgendwann ließ das Interesse nach. Bill Gates flog schon Ende der Neunziger nicht
mehr nach Hannover, sondern lieber nach Las Vegas, um auf der Konkurrenzmesse Comdex eine Keynote-Rede zu halten. Über die Jahre sparten sich immer mehr große
Unternehmen den Cebit-Stand und präsentierten sich stattdessen auf
dem Comdex-Nachfolger CES, auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin oder auf dem Mobile World Congress in Barcelona. Vor allem aber stellten die Unternehmen ihre Neuheiten
lieber auf hauseigenen Veranstaltungen vor. Ein Phänomen, das Apple-Gründer
Steve Jobs mit der iPod-Inszenierung 2001 großmachte.

Obwohl
seit den Nullerjahren immer weniger Besucherinnen und Besucher auf die Cebit kamen, stellte die Deutsche Messe
erst 2017 ein neues Konzept vor: Man wollte aus der Messe ein Businessfestival
machen, das auch junge Leute anziehen sollte, ganz nach dem Vorbild der South by Southwest im texanischen Austin. Doch das jüngere Publikum hatte mutmaßlich gar keine Bindung
mehr zu der Marke Cebit – zu den erfolgreichsten Zeiten der Computermesse waren sie
teils noch nicht mal geboren. Jedenfalls konnten sich 2018 nur noch 120.000 Männer und Frauen aufraffen nach Hannover. Zu wenig für einen echten Neuanfang.

“Opfer ihres eigenen Erfolgs”

Die Nachricht vom Aus – die versuchte man dann aber doch noch ein bisschen glamourös zu verkaufen. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, von Amts wegen ein vehementer Verteidiger der Messe, sagte, die Cebit sei ein “Opfer
ihres eigenen Erfolges” geworden
. Der digitale Wandel finde inzwischen überall
statt, auch auf anderen Messen. Eine PR-Floskel – die Cebit war schon seit Jahren
nicht mehr erfolgreich.

Trotzdem
hat Weil insofern recht, als dass der Niedergang mit der immer weiter
fortschreitenden Digitalisierung zusammenhängt. Als die Veranstaltung 1986 einst
aus der Hannover-Messe ausgegründet wurde, da war sie ein Hort für
Tüftlerinnen, für Hardware-Fans, für Nerds (das war damals noch kein
Kompliment). Kurzum: ein Ort für eine geschlossene Interessengruppe.

Doch
je weiter die Digitalisierung in unseren Alltag drang – als MP3-Player im Rucksack, Smartphone in der Hosentasche und nun auch als Smart Speaker in der Wohnung –, desto
weniger brauchte es eine Computermesse. Wir können heute überall Musik hören,
arbeiten, kommunizieren. Raum und Zeit scheinen marginal in einer Welt, in der Kommunikation über Tausende Kilometer, rund um die Uhr und per Direct Message so einfach geworden ist, dass sich niemand mehr in ein Flugzeug setzen muss, geschweige denn in die Hannoversche Straßenbahn, um damit zu Öffnungszeiten durch Messehallen zu irren, um an Ständen Schlange zu stehen mit dem Ziel, eine Visitenkarte einzusammeln. Liebe Cebit, du warst großartig. Aber nun ist es vorbei. Und das ist okay.

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