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US-Automobilindustrie: Festgefahren

Vor genau einem Jahr legte Mary Barra einen ambitionierten Plan für die Zukunft vor. Die Chefin des größten US-Autobauers General Motors träumte darin von einer “sicheren, besseren und umweltverträglicheren Welt”. GM wollte mit 20 neuen Elektromodellen bis 2023 seinen Teil dazu beitragen. Jetzt aber macht der Autobauer erst einmal einen gewaltigen Schritt zurück in die Vergangenheit. Anfang der Woche kündigte GM an, im kommenden Jahr fünf Fabriken schließen zu wollen, vier davon in Nordamerika. 14.000 Mitarbeiter sollen in den kommenden Monaten gehen, 15 Prozent der Belegschaft. Man wolle so jährlich rund sechs Milliarden Dollar sparen, hieß es von dem Konzern.

Der Produktionsstopp erfolgt vor allem in Werken, die bisher sparsamere Limousinen und Hybridmodelle wie den Chevrolet Volt gefertigt haben. Auch die beiden anderen Autohersteller der “Big Three” – Ford und Fiat Chrysler – haben die Produktion von sparsamen Modellen und Hybridfahrzeugen zugunsten größerer und schwererer Wagen zurückgefahren, die deutlich mehr verbrauchen.

Nach Meinung von Experten zeigt die Entscheidung ein Dilemma der Hersteller. Die Branche sei gefangen zwischen Gegenwart und Zukunft, heißt es vom Center for Automotive Research in Detroit. Die Autokonzerne müssten in die nächste Generation von Fahrzeugen investieren, um vor allem mit China mithalten zu können, während sie gleichzeitig an den Modellen festhalten müssten, die heute die Gewinne einfahren.

Lizenz zur Verschmutzung

Die mobile Gegenwart in den USA ist alles andere als grün. Allein bei GM machen SUVs und Pick-up-Trucks derzeit mehr als drei Viertel des Umsatzes aus, vor fünf Jahren waren es noch weniger als 60 Prozent. Von seinem Volt, immerhin dem auflagenstärksten Hybrid auf dem Markt, verkaufte GM seit dem Start vor sieben Jahren gerade mal 139.000 Modelle. Zum Vergleich: Insgesamt liefert der Hersteller pro Jahr allein in den USA drei Millionen Wagen aus.

Zwar plant der Autobauer Investitionen etwa in neue, elektrobetriebene Modelle. Doch die Flotte ist vorerst fast ausnahmslos für den schnell wachsenden chinesischen Markt bestimmt, nicht für die Heimat. Dort sieht es anders aus: Laut eines Rankings der US-Umweltbehörde EPA zum Durchschnittsverbrauch landeten die Hersteller auf einer Liste von 13 Autobauern auf den letzten Plätzen. Kurzfristige Gewinne seien ihnen wichtiger als eine saubere Flotte, so David Reichmuth von der Organisation Union of Concerned Scientists.

Unter Donald Trump hat sich das Bild weiter gefestigt. Der US-Präsident hat mit seiner America-First-Agenda auch ein neues Zeitalter der fossilen Brennstoffe eingeläutet. Umweltauflagen aus der Obama-Ära – dank derer viele bereits das Ende der SUVs prophezeiten – wurden zurückgedreht, die Subventionen für die Öl- und Kohleförderungen hochgefahren. Im August kündigte die Regierung Pläne an, die Emissionsstandards für Fahrzeuge auch auf Drängen der Industrie wieder zu lockern, als bislang einzige Industrienation. “Trump hat den Autobauern eine neue Lizenz zur Verschmutzung gegeben”, sagt Daniel Becker von der Organisation Safe Climate Campaign.

Niedrige Benzinpreise wirken sich aus

Hinzu kommt, dass sich die US-Wirtschaft seit der Krise 2008 deutlich erholt hat und der Benzinpreis – auch dank eines Kongresses, der die Steuer seit Jahren nicht erhöht – auf dem tiefsten Stand seit Monaten liegt. All das gibt den Konsumenten im Land derzeit wenig Anreize, beim Kauf eines Fahrzeugs auf den Verbrauch zu achten. Dabei würden die Entscheidungen, die die Konsumenten jetzt träfen, das Land auf Jahre hinaus in einer Abhängigkeit von Benzin gefangen halten, sagen Kritiker. Den Herstellern geben sie dabei die Hauptschuld. Die Autobauer hätten das Interesse an Pick-ups und SUVs mit teuren Werbekampagnen weiter angekurbelt, so Becker. “Sie haben ganz offensichtlich kein Interesse daran, auf ihrem Heimatmarkt Elektrofahrzeuge zu verkaufen”, sagt der Branchenexperte.

Dafür haben sie gute Gründe, schließlich machen die Autobauer ihren Gewinn noch immer vor allem mit den Benzinschluckern. Die Detroit News rechnete vor, GM verdiene pro verkauftem Escalade, einem Luxus-SUV der Tochtermarke Cadillac, 35.000 Dollar. Zum Start des vollelektrischen Chevrolet Bolt dagegen machte der Konzern dagegen einen Verlust von 9.000 Dollar pro Wagen. In einer Zeit, in der die Stahlzölle des Präsidenten die Kosten für die Hersteller nach oben trieben und viele in der Branche eine neue Rezession fürchteten, setzten die Autobauer deshalb noch einmal vermehrt auf die margenträchtigen Modelle, meinen Experten.

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