/Olaf Scholz: “Europa muss politischer und stärker werden”

Olaf Scholz: “Europa muss politischer und stärker werden”

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat in einer Grundsatzrede an der
Humboldt-Universität zu Berlin für einen einheitlichen Rechtsrahmen für
Mindestlöhne und die Systeme der Grundsicherung in der EU geworben. Der
Wettbewerb der Unternehmen in Europa dürfe nicht über schlechte
Arbeitsbedingungen ausgetragen werden, so Scholz. Er erneuerte die
Forderung nach einer europäischen Arbeitslosen-Rückversicherung. “Wir brauchen ein soziales Europa, das seine Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer davor schützt, dass im Zuge des globalen Wettbewerbs unsere
sozialen Standards ausgehöhlt werden”,  sagte der SPD-Politiker.

Der
Minister erklärte, er finde den Vorschlag sehr diskussionswürdig, dass
nationale Mindestlöhne etabliert werden, die mindestens 60 Prozent des
nationalen Medianlohns betragen, also des mittleren Einkommens.
Konkrete Zahlen nannte er nicht. Erst vor Kurzem
hatte Scholz für Schlagzeilen gesorgt, als er einen deutlich höheren Mindestlohn von zwölf Euro in Deutschland befürwortet hatte. Derzeit liegt der Mindestlohn
bei 8,84 Euro. Er soll im kommenden Jahr auf 9,19 Euro und 2020 auf 9,35 Euro
steigen.

Scholz hat sich zudem für
eine vertiefte politische Zusammenarbeit in der Europäischen Union
ausgesprochen. “Europa muss politischer werden, muss stärker werden,
damit es ernst genommen wird, und zwar von den Bürgerinnen und Bürgern
Europas genauso wie von anderen Staaten”, sagte Scholz.
Die Integration der EU habe bisher vor allem über die Herstellung eines
gemeinsamen Binnenmarktes stattgefunden. “Das ist vielleicht eine
Ursache dafür, dass trotz der weiterhin überwiegenden Zustimmung zur
Europäischen Union die Zahl der Skeptiker und der populistischen
EU-Kritiker wächst.”

Die EU sollte mit einer Stimme sprechen

Für eine Stärkung der EU-Außen- und Sicherheitspolitik schlug Scholz
vor, mittelfristig den Sitz Frankreichs im UN-Sicherheitsrat in einen
EU-Sitz umzuwandeln. “Im Gegenzug sollte Frankreich dann permanent den
EU-Botschafter bei den Vereinten Nationen stellen. Mir ist klar, dass es
dazu sicherlich in Paris noch einiger Überzeugungsarbeit bedarf, aber
ein kühnes und kluges Ziel wäre es.” Die EU sollte im Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen mit einer Stimme sprechen.

In der Finanzpolitik solle eine EU-weite Mindestbesteuerung für Unternehmen eingeführt werden, verlangte Scholz weiter. “Wir müssen international
ein Mindestniveau der Besteuerung vereinbaren.” Zudem forderte er eine
gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer in der EU und
die europaweite Einführung der Finanztransaktionssteuer für
Börsengeschäfte. Die Erträge sollten der EU zufließen, wodurch nationale
Beiträge sinken könnten.

Für die Staaten der Eurozone sollten ein
Eurozonenbudget eingeführt und der bestehende Eurorettungsfonds ESM
“zu einem schlagkräftigen europäischen Währungsfonds” weiterentwickelt
werden. Damit stellt sich Scholz hinter Vorschläge
des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, für die er sich
ausdrücklich bedankte.

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