/Islamkonferenz : Politiker wünschen mehr Klarheit im Dialog mit Muslimen

Islamkonferenz : Politiker wünschen mehr Klarheit im Dialog mit Muslimen

Unmittelbar vor der Islamkonferenz haben Politiker und Wissenschaftler dieIslamverbände kritisiert und eine breitere Vertretung auch des liberalen Islams
gefordert. Die Verbände dürften nicht länger Handlanger eines
ausländischen Staates sein und müssten Muslime in Deutschland auf dem
Boden der Verfassung vertreten, sagte Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir der Südwest Presse. Noch seien die Verbände “weit davon
entfernt, die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft nach dem
deutschen Religionsverfassungsrecht zu erfüllen”. Frauenfeindlichkeit,
Militarismus und Fundamentalismus hätten dabei keinen Platz.

Die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz äußerte sich ebenfalls skeptisch zur Deutschen Islamkonferenz. Bisher fehle die Bereitschaft, “sich auf
Kompromisse hinzubewegen und gemeinsame Ziele zu definieren”, sagte
sie Südwest Presse. Sie forderte ein klares Bekenntnis der Politik zu den
Muslimen im Land, “und auch aller ihrer Organe und Institutionen”. Wer
nicht bereit sei, sich darauf einzulassen, “bleibt bei dem, wofür in
meinen Augen die Islamkonferenz im Augenblick steht: Stillstand!” 

Seehofer hält Grundsatzrede

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eröffnet am Vormittag mit einer Grundsatzrede die Deutsche Islamkonferenz (DIK). Das
zweitägige Treffen mit 240 Teilnehmern ist der Auftakt der vierten Phase
der 2006 gestarteten Islamkonferenz und soll zugleich ein Neustart im
Dialog mit den Muslimen in Deutschland sein. Die 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU)
gegründete Konferenz bringt deutsche Muslime und Vertreter
von
Bund, Ländern und Kommunen zusammen. Anders als in den vergangenen
Jahren nehmen künftig neben
den konservativen Verbänden auch wieder Anhänger eines betont liberalen
Islams daran teil. Einige
von ihnen hatten die Verbände in der Vergangenheit wegen ihres
konservativen Islamverständnisses scharf
kritisiert.

Die Grünen erwarten nicht, dass die Deutsche Islamkonferenz schnelle
Ergebnisse liefern wird. “Es ist zu befürchten, dass eine Menge der
Debattenzeit erst mal darauf verwendet werden muss, die entstandenen
atmosphärischen Störungen zu glätten”, sagte Bundestagsfraktionschefin
Katrin Göring-Eckardt der Deutschen Presse-Agentur. Seehofer hatte kurz nach seiner Ernennung zum
Bundesinnenminister erklärt, er halte den Satz “Der Islam
gehört zu Deutschland” für falsch. Er fügte allerdings hinzu: “Die bei
uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland.”

Göring-Eckardt
forderte einen Neuanfang des Dialogforums. Sie sagte, dazu gehöre auch,
dass in Deutschland mehr Imame ausgebildet würden. Mit Blick auf den türkischen Islamverband
Ditib schränkte sie jedoch ein, es dürfe keine Anerkennung für
Verbände geben, “die fundamentale Verfassungsprinzipien unserer
Gesellschaft nicht akzeptieren, weil sie zum Beispiel ihre Mitglieder
bespitzeln und faktisch der verlängerte Arm des Erdoğan-Regimes sind”.

Der
Kandidat für den CDU-Vorsitz, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn,
verlangte verbindliche Regeln für Muslime zur Integration in
Deutschland. “Wir haben Religionsfreiheit, und es soll auch Moscheen in
Deutschland geben”, sagte er der Rheinischen Post. “Aber
Integration gelingt dauerhaft nur, wenn sich diese Moscheegemeinden als
deutsche Moscheegemeinden verstehen und nicht zum Beispiel als
türkische.” Moscheen dürften nicht aus dem Ausland finanziert werden,
die Imame müssten in Deutschland ausgebildet werden und auch Deutsch
sprechen.

“Einseitige Wahrnehmung des Islams”

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Korchide von der Universität Münster forderte, die Islamkonferenz müsse Muslimen praktische Handlungsempfehlungen geben und die verschiedenen innerislamischen Positionen sichtbar macht. “Bislang wurde nur dem überwiegend konservativen Islam viel Raum gegeben, was zu einer verzerrten und einseitigen Wahrnehmung des Islams geführt hat.”

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, forderte konkrete Schritte für eine Ausbildung von Imamen in Deutschland. Es sei bequem, etwas einzufordern und sich dann “in die
Büsche zu verabschieden”, sagte Mazyek im Südwestrundfunk an die Adresse der Politik. Es müsse wenigstens ein Imamseminar entwickelt werden. Mazyek
zeigte sich zugleich überzeugt, dass der Großteil der Muslime längst in
Deutschland integriert sei. Bei Gleichbehandlung, Gleichberechtigung
und Anerkennung gebe es aber noch “Luft nach oben”.

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