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Crispr: Baby nach Wunsch

Babys sind süß, Aids ist hässlich. In China wurden jetzt Zwillinge
geboren, die angeblich gegen HIV resistent sind, weil ein Embryonenforscher ihre Gene mit
einer Technik namens Crispr/Cas9 verändert
haben will. Der
Mann besitzt eine Gentechnik-Firma. Gibt es bessere Reklame?

Man beruhige sich nicht damit, dass der Nachweis des Experiments aussteht. Der Wissenschaftler ist kein Unbekannter. Experten, die mit seiner Arbeit vertraut sind, halten seinen Erfolg für möglich. Das ist das Neue: Die Phase der Gemütlichkeit ist beendet, in der die Debatte um die Manipulation des menschlichen Erbguts mit dem Hinweis entschärft werden konnte, bis dahin werde noch viel Zeit vergehen.

Die Nachricht aus China hat Empörung ausgelöst, gerade unter Wissenschaftlern. In vielen Ländern dürfen sie zwar die Gene von überzähligen Embryonen verändern, doch sie dürfen daraus keine Menschen entstehen lassen. In China gilt so ein Verbot nicht, jedenfalls nicht grundsätzlich. Jetzt scheint das Land um den Ruf seiner Wissenschaft zu fürchten. Gut so.

Crispr: Der chinesische Forscher He Jiankui

Der chinesische Forscher He Jiankui
© Anthony Kwan

Vielleicht hat der Gendoktor in Shenzhen bloß geschummelt. Allerdings wurden auch in der Vergangenheit wissenschaftliche Durchbrüche von Betrugsversuchen begleitet. Ein Weckruf bleibt die Sensationsnachricht allemal.

Die Risiken der Technik sind hoch: zunächst einmal für das genetisch veränderte Individuum und dessen Nachkommen, denn man weiß zu wenig über das Zusammenspiel von Erbanlagen. Erst recht unbekannt sind die gesellschaftlichen Folgen. Nur ein Beispiel: Genmanipulation wird teuer sein, mit der Folge, dass die Spaltung der Gesellschaft in die Erbanlagen eingeschrieben werden könnte. Hier die Reichen, Gesunden und Schönen, dort der minderwertige Rest. Damit bräche ein neues Zeitalter an.

Wissenschaftler fordern daher ein weltweites Moratorium für die Übertragung genmanipulierter Embryonen in den Mutterleib. Klingt vernünftig, passt aber schlecht in die politische Landschaft. Weltweite Verabredungen haben keine Konjunktur. Da mag das Klimaproblem noch so dringlich, die Bedrohung durch Kernwaffen noch so beängstigend oder die Migration noch so herausfordernd sein, die Losung der neuen Zeit lautet: “Wir zuerst!”

Wofür ließe sich ein Moratorium nutzen? Zum Beispiel für die Einigung auf eine Positivliste: Sie würde abschließend jene Erbkrankheiten aufzählen, die solche Eingriffe rechtfertigten. Reine Optimierung bliebe verboten, einschließlich des besseren Schutzes vor Infektionskrankheiten, denn dafür gibt es weniger riskante Verfahren.

Schwieriger wäre es, die erlaubten Risiken zu definieren. Vertrackt ist außerdem die Verteilungsfrage; der Zugang zu neuen Gentherapien darf jedenfalls nicht allein dem Markt überlassen werden. Und schließlich: Wer kontrolliert? Es wurde schon die Gründung einer internationalen Behörde vorgeschlagen, ähnlich der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in Wien, mit weitreichenden Inspektionsrechten. Fragt sich nur, wie realistisch das alles ist, denn auf der anderen Seite der Machtverteilung finden wir die Faktoren Macht und Profit.

Ein kategorisches Verbot freilich wäre eine besonders schlechte Idee. Die Großmächte der Wissenschaft würden sich ohnehin nicht darauf einlassen. Es wäre außerdem nicht zu rechtfertigen. Religiöse Einwände gegen die Genmanipulation kommen beispielsweise nicht infrage, denn die werden nicht von allen Religionen angeführt, und nicht jeder Erdenbürger ist religiös. Ein schwereres Geschütz ist da schon die Menschenwürde. Aber wie will man begründen, dass die Manipulation des Erbguts ein Verstoß gegen die Würde ist, also gegen den Achtungsanspruch, den jedes Individuum hat? Ist der Sitz dieser Würde denn die DNA?

Gewiss, die Menschen, die aus den Embryonen entstehen können, werden nicht vorab um Zustimmung zur Genveränderung gebeten. Aber es wird ja ohnehin niemand gefragt, unter welchen Umständen er geboren werden will und ob überhaupt.

Manchmal übrigens droht in dieser Debatte die Stimme der Kranken unterzugehen. Viele Krankheiten liegen jeweils nur an einem einzigen Gen. Eine Technik, es gefahrlos auszuschalten, wäre ein Segen. Die Forschung darf nach ihr suchen, nur nicht um jeden Preis.


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