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Tunesien: Unerwünschter Königssohn

Solche Bilder aus einem “arabischen Bruderstaat” wollte das
saudische Königshaus möglichst vermeiden. “Tunesien ist frei, raus mit dem
Killer”, ruft die Menge. “Salman ist ein Kriegsverbrecher” steht auf dem selbst gemalten Plakat von Trilla
Rihab. “Jeder weiß, dass er ein Mörder ist”,
sagt die 25-jährige Jurastudentin, die mit zwei Freundinnen zum
Protestieren auf die Avenue Habib Bourguiba
in Tunis gekommen ist. “Dieser Mann ist
nicht kompatibel mit unserem Land, unseren Werten und unserer Revolution.”

Auf der bekanntesten Flaniermeile der tunesischen Hauptstadt fand 2011 der
Arabische Frühling statt. Unter dem alten Regime habe man nicht den Mund
aufmachen dürfen, “aber jetzt können wir es”, pflichtet ein älterer Mann
Rihab bei, der eine schmale Aktenmappe unter dem Arm trägt. “In unserem Land hat
Salman nichts mehr zu suchen.”

Was die mehreren Hundert Demonstrierenden aufregt, ist
der Besuch des in die Kritik geratenen saudischen Thronfolgers, der auf seiner
achttägigen Arabientour auf dem Weg nach Argentinien unbedingt auch einen
Zwischenstopp in Tunis einlegen wollte. Dabei hatte die CIA dem Königssohn erst kürzlich bescheinigt, er habe “mit hoher Wahrscheinlichkeit”
den bestialischen Mord in Istanbul an seinem Kritiker, dem Journalisten Jamal
Khashoggi, angeordnet
.

Gleichzeitig gilt der 33-Jährige als Drahtzieher des verheerenden Krieges im Jemen,
den die Vereinten Nationen als “das größte humanitäre Desaster der Gegenwart”
bezeichnen. “Salman ist ein Despot, der nur die Dollars kennt und nichts im Kopf
hat”, schimpft eine zierliche Frau mit hennaroten Haaren und kariertem
Wollmantel. Sie muss es wissen: Etwa 40 Jahre lang arbeitete die 66-Jährige vor
ihrer Pensionierung als Bankangestellte.

Schon am Vorabend hatten Menschen in der Innenstadt von
Tunis demonstriert und MBS, wie der saudische Monarchensohn mit Kürzel heißt, symbolisch
die rote Karte gezeigt. Eine Aktivistentruppe in schwarz-weißen Clownskostümen
fuchtelte auf der Freitreppe des Stadttheaters mit den Gliedmaßen einer
Schaufensterpuppe herum. Ihre gruselige Pantomime spielt auf die Erkenntnisse
der türkischen Ermittler an, das aus Riad angereiste Killerkommando habe die
Leiche von Jamal Khashoggi sofort nach dessen Tod mit einer Knochensäge zerteilt.

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