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Schulinspektion: Aufbrezeln für die Schulinspektion

150 Seiten lang war das Dokument, das Christiane Kastner für die
Schulinspektoren vorbereitet hatte. Sie hatte es mit ihren Kolleginnen und Kollegen in unzähligen Konferenzen diskutiert und geplant. Was ist unser Leitbild? Wie sieht unser Förderkonzept aus? Haben wir einen Schwerpunkt – Musik oder vielleicht Sprachen? Die Grund- und Werkrealschule in Baden-Württemberg arbeitete an Grafiken und Schaubildern. Viele Überstunden flossen in den Bericht und viele Lehrer waren sehr aufgeregt: “Hoffentlich kommen sie nicht in meinen Unterricht”, hieß es.

Als Reaktion auf das schlechte Abschneiden der deutschen Schüler in der Pisa-Studie
wurden seit 2005 in allen Bundesländern Schulinspektionen eingeführt. Sie sollten die Stärken und Schwächen der Schulen feststellen – und diese
dabei unterstützen, besser zu werden.

Sie heißen überall anders: Fremdevaluation etwa oder
Fokusevaluation, Schulvisitation, Schulfeedback oder Qualitätsanalyse. Denn da Bildung in Deutschland Ländersache ist, unterscheiden sich die einzelnen Länder nicht nur erheblich in ihren Schulformen, dem Fächerangebot oder bei der Umsetzung des Abiturs nach acht oder neun Jahren. Nein, auch für die Schulinspektionen gilt: 16 Bundesländer, 16 Konzepte. Immerhin gibt es den Versuch der Verständigung zwischen den Ländern über die Konferenz Kodex. Auf deren Website finden sich allerdings nur erratisch vereinzelte Länderberichte.

Und so unterschiedlich die Konzepte, so unterschiedlich die Erfahrungen. In
manchen Bundesländern wird die Schulinspektion mittlerweile ausgesetzt, in anderen wird sie neu organisiert. In
Niedersachsen, in Hessen und im Saarland ist soeben ein neues Konzept
fertig geworden. In Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen
und Bremen arbeite man daran, heißt es.

Ist die Schulinspektion also gescheitert?

Nichts ist vergleichbar

“Eigentlich ist alles ziemlich aus dem Bauch heraus entstanden”, sagt
Marcus Pietsch. Der Bildungswissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg beschäftigt sich mit der Schulinspektion seit ihrer Einführung. Die Ministerien hätten sich an Konzepten wie etwa
in den Niederlanden oder Großbritannien orientiert. Seither schauen sich speziell
für die Inspektion ausgebildete Lehrkräfte die Daten und
Dokumente der Schule an, besuchen sie ein oder mehrere Tage, nehmen am
Unterricht teil, führen Interviews mit Schülerinnen, Eltern und Lehrern. Sie sind meist freigestellte Lehrer oder abgeordnete Lehrkräfte.
Untersucht werden viele Parameter: die Unterrichtsqualität, das Schulklima,
Schulmanagement, die Professionalität der Lehrer, Inklusion, Ganztags- und Förderkonzepte. Am Ende schreiben die Inspektoren einen
Ergebnisbericht mit konkreten Verbesserungsvorschlägen. Jedenfalls in
der Theorie.

Pietsch sagt, es sei nicht nachweisbar, dass eine externe Evaluation die Schulqualität
wirklich verbessere: “Es fehlt uns an Belegen für ihre Wirksamkeit, auch international. Die Evaluationsverfahren haben sich immer wieder verändert und sind sehr uneinheitlich. Wir können die Erhebungszyklen und -verfahren nicht miteinander vergleichen.”

Viel Zeit, Geld und Personal sind also offenbar bereitgestellt worden für Evaluationen, von denen nicht klar ist, ob sie zu einem allgemein spürbaren Ergebnis führen.

Fortschritt für einzelne Schulen

Für Henrik Schödel und seine Sophiengrundschule in Hof
in Bayern hat sich die Evaluation allerdings gelohnt. Die Berichte zu seiner Schule vor drei und vor fünf Jahren hätten viele
Stärken herausgestellt, sagt Schödel. “Eine
Bestätigung für die tolle Arbeit zu bekommen, tut auch mal gut.” Sowohl die schwächeren als auch die begabten Schülerinnen und Schüler würden gut gefördert, heißt es in den Berichten.

Kritik habe es nur für die marode Turnhalle und
den fehlenden Speisesaal gegeben. Mit der Mängelbescheinigung hatte
Schödel wiederum etwas in der Hand, das er der Stadt präsentieren konnte. Jetzt hat seine Schule eine Kantine. Allerdings habe auch seine Schule vor der Evaluation enormen Aufwand betrieben, gibt er zu. Seine Kolleginnen und er hätten
natürlich versucht, sich von der besten Seite zu präsentieren. “Wie bei einer Bewerbung.”

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