/Gelbwesten in Frankreich: Emmanuel Macron hat keine Antwort für seine Wutbürger

Gelbwesten in Frankreich: Emmanuel Macron hat keine Antwort für seine Wutbürger

Mit dieser Rede wird Emmanuel Macron seine Landsleute
nicht von der Straße kriegen. Der französische Präsident versuchte am
Dienstagmorgen, die Bewegung der Gelben Westen zu befrieden. Die Demonstranten haben nun schon an zwei Wochenenden zu Hunderttausenden Straßen
und Kreuzungen blockiert, sie haben Einkaufszentren lahmgelegt und
Steuerbehörden besetzt. “Ich habe verstanden”, sagte Macron: “Wir erzählen vom
Ende der Welt, um das Klima zu retten; ihr wisst nicht, wie ihr am Ende des
Monats über die Runden kommen sollt.” Allein, der französische
Liberale hatte keine Antwort auf die neuen französischen Wutbürger.

Die Demonstrationen begannen, als Macrons Regierung eine
Steuererhöhung von drei Cent pro Liter Benzin und sechs Cent pro Liter Diesel
ankündigte. Die teurere Tankfüllung war letztlich nur der Funke, der die
schwelende Unzufriedenheit mit Macron zum Lodern brachte. Nach Umfragen sind
die meisten Gelbwesten nicht einmal regelmäßige Autofahrer – sie fühlen sich
vor allem von einem Präsidenten vernachlässigt, der sich allzu häufig an eine
wohlhabende Elite wendet, an die Gründer und Selbstständigen im Land.

Auch diesmal versprach Macron wieder, nicht seine Politik, aber die Methodik ändern zu
wollen. “Unsere neue Umweltkommission wird in den kommenden drei Monaten
konkrete Lösungen erarbeiten”, versprach er. Das Gremium soll die
Regierung beraten. Drei Monate sind allerdings eine Ewigkeit für Menschen, die
sich gerade zu Zehntausenden über Facebook organisieren und die in jede Kamera
erzählen, dass sie nicht wissen, wie sie Weihnachtsgeschenke für ihre Enkel,
Kinder oder Schwestern kaufen sollen.

“Er hat uns nichts gegeben”

Die Gelben Westen hatten sich am Dienstag in Bars und Cafés
versammelt, um Macrons Antwort zu hören. Laut ihren auf
Facebook formulierten Ideen erwarteten sie neue Steuern für Wohlhabende,
weniger Steuern für Ärmere, einen höheren Mindestlohn oder kostenlose Busse und
Bahnen für arme Menschen. Forderungen ohne Widerhall. Zwar waren Macrons
Ankündigungen, die Zahl der Windräder zu verdreifachen und die Zahl der
Solarpaneele zu verfünffachen, ökologisch sicherlich richtig – aber seine Zuhörer mit den Warnwesten frustrierten sie nur einmal mehr. Denn dieses Erneuerbare-Energien-Programm
wurde schon seit Monaten ausgehandelt und hat mit den Protesten nichts zu tun.

“Er hat uns nichts gegeben”, war anschließend die einhellige Meinung auf
Facebook. Selbst Matthieu Orphelin, Abgeordneter der Regierungspartei, war
von der Rede nicht begeistert: “Ich bin enttäuscht. Warum brauchen wir wieder
eine dreimonatige Kommission? Wir kennen doch die Antworten. Etwa Geld
ausgeben, um Wohnungen zu isolieren, und günstige Alternativen für das Auto finden”, verkündete er auf Twitter.

Dabei hatte Macron zunächst versucht, die Argumente
der Gelbwesten aufzugreifen. Hatte er noch vor wenigen Tagen allein über die
Gewalt der Demonstranten referiert und sie verdächtigt, eigentlich Parteigänger
der konservativen Republikaner oder der rechtsextremen Rassemblement National
zu sein, bemühte er sich diesmal um Verständnis. “Wer lebt in schlecht
isolierten Häusern? Wer atmet die von Autos verpestete Luft? Das sind doch
unsere sozial benachteiligten Mitbürgerinnen und Mitbürger”, rief er. Für die
sei sein Umweltprogramm inklusive der höheren Benzinsteuern gedacht.

Bewegung ohne Kopf

Es ist zu spüren, wie Macron um die richtige Antwort auf die
Bewegung der Gelben Westen ringt, die sich überraschend und spontan bildete.
Demonstrationen sind in Frankreich normalerweise von Parteien, Gewerkschaften
oder auch Bauernverbänden organisiert. Aber diesmal gibt es keinen Kopf der
Bewegung. Zwar wurden inzwischen acht Sprecherinnen und Sprecher bei Facebook
gewählt, aber genauso viele Gelbwesten lehnen diese “selbst ernannten Chefs” ab
und organisieren unabgesprochene Aktionen. Die Aufsässigen verständigen sich auf
Facebook über die nächsten Aktivitäten oder stellen an Kreisverkehren und
Kreuzungen Schilder auf, um die nächste Blockade zu bewerben. Warnwesten hat
jeder im Auto, eine Zugehörigkeit zur Gruppe ist daher einfach zu schaffen.

Im
südfranzösischen Nizza bestreikten ein paar Rentner die Steuerbehörde, um
gegen ihrer Meinung nach höhere Abgaben zu protestieren. In anderen Städten
waren es Krankenschwestern, die Kreuzungen blockierten. Und immer wieder
hat die rechtsextreme Rassemblement National – ehemals Front National –
Demonstrationen organisiert. Marion Maréchal, Nichte der Parteivorsitzenden
Marine Le Pen und eigentlich vor eineinhalb Jahren aus der Politik
ausgestiegen, lief am Samstag auf der Champs Élysée mit.

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