/Wie es ist, sein eigenes Begräbnis zu planen

Wie es ist, sein eigenes Begräbnis zu planen

Für den ersten Klick brauche ich mehrere Stunden. „Bitte wählen Sie die Bestattungsart“, ordnet mir der Bestattungskonfigurator an. Ich kann zwischen Erdbestattung, Feuerbestattung und Naturnah wählen. Mein Gefühl sagt mir, dass mein lebloser Körper mal nicht in Flammen aufgehen soll. Naturnah klingt mir zu hippie für mein Abdanken. Bleibt nur mehr die Erdbestattung. Aber auch bei dieser Option überschlagen sich die Fragen in meinem Kopf: Darf ich überhaupt auf einem Friedhof begraben werden, obwohl ich aus der Kirche ausgetreten bin? Will ich in Wien auf dem Zentralfriedhof begraben werden oder in meiner Heimatgemeinde auf dem Land? Wer soll dieses potenzielle Grab einmal pflegen?

Bitte wählen Sie Ihre Bestattungslinie.


Bestattungskonfigurator

Ich google die Begriffe, recherchiere, lese Berichte und spreche mit Freund*innen. Irgendwann bin ich mir zumindest sicher, was ich alles nicht will und klicke auf Erdbestattung. Nun stehe ich vor der nächsten Entscheidung:  „Bitte wählen Sie Ihre Bestattungslinie“. Zur Auswahl stehen klassisch, naturverbunden, exklusiv, individuell und preisbewusst. Bebildert sind die Linien mit Stock-Bildern. Bei preisbewusst lächelt ein junger Mann mit Vollbart in die Kamera. Bei Individuell eine alte Dame mit pinken Strähnen im Haar und Glitzer im Gesicht. Nur die Kategorien exklusiv und preisbewusst sind mit jungen Menschen bebildert, ich frage mich, ob das Andeutungen sein sollen. Je mehr ich mich in die Erklärungen der Linien vertiefe, desto mehr fühle ich mich, als würde ich einen Test für die richtige Bademode in einem Beauty-Magazin machen und nicht für meine Bestattung.

Screenshot Konfigurator Bestattung Wien.

Als ich von meiner Chefredakteurin die Aufgabe bekam, meine eigene Beerdigung online zu planen, hörte sich das erst einmal sehr makaber und irgendwie lustig an, als wäre die Rede von einem Scherz. Nun muss ich mir aber tatsächlich die Frage zu meinem Tag X stellen und auf diese auch konkrete Antworten finden.

Bitte wählen Sie ihre Trauerware

Da ich inständig hoffe, bis zu meinem Tod Kohle zu haben und bei meiner Beerdigung nicht mehr sparen zu müssen, wähle ich „individuell“. Nun startet die Bestellung mit der Kategorie „Trauerware“. Ich klicke unterschiedliche Modelle von Särgen durch. Sie heißen Sarg Verona, Nusstruhe Monte Carlo, Sarkophag San Pietro, Sarkophag Lübeck oder Lindensarg Pisa. Ich entscheide mich schließlich für ein Modell namens Sarkophag Lübeck aus naturbelassenem Wildeichenholz und fühle mich ein bisschen wie beim Onlineshopping bei Ikea. Wie die Frage nach dem richtigen Couchtisch und nicht die Wahl meines potenziellen Sargs. Im nächsten Schritt muss ich eine Einbettung aussuchen. Ich hatte keine Ahnung und dachte, man würde einfach in den Sarg gelegt werden, schließlich spürt man es ohnehin nicht mehr. Auch bei der Einbettung kann ich aus allen möglichen Farben, Spitze oder floralen Mustern wählen. Ich nehme weiß. Nun muss ich mich noch für einen Sargdeckeldekor entscheiden. Viel Auswahl bleibt nicht, wenn man kein Kreuz will. Ich klicke auf eine goldene Rose.

Die Trauerfeier wird mit zwei Liedern untermalt, die Sie im Beratungsgespräch auswählen – oder Sie bringen Original-CDs mit.


Bestattungskonfigurator

Nun bin ich im Abschnitt der Zeremonie angelangt. Da ich keinem Glauben angehöre, bleibt für mich nur der*die Nachrufsprecher*in anstatt der verschiedenen religiösen Einsegnungen. Ich klicke mich weiter zur musikalischen Begleitung. Ein achtstimmiger Chor, Blechbasolist*in,  Streichquartett. Ich klicke auf die „Musikbegleitung von CD“. Mit dem Hinweis: „Die Trauerfeier wird mit zwei Liedern untermalt, die Sie im Beratungsgespräch auswählen – oder Sie bringen Original-CDs mit“. Da ich bei Beerdigungen den Moment der Sargaufbahrung hasse, klicke ich auf die Option „Ohne Aufbahrung“. Dann wähle ich noch das kleinstmögliche Sarggesteck.

Screenshot Konfigurator Bestattung Wien

In der nächsten Kategorie namens „Trauerdruck“ angekommen, werde ich stutzig. Neben dem Design muss ich die Anzahl für die Einladungskarten auswählen. Wie viele Menschen würden zu meiner Beerdigung kommen? Ich bin an dem Punkt angekommen, der in Filmen oft gezeigt wird, ich visualisiere meine Beerdigung. Wer würde kommen? Was würde mein Abdanken für andere bedeuten? Wer würde weinen? Während das Kino in meinem Kopf läuft und ich mich kurz dem Gedanken hingebe, dass mich viele Menschen vermissen würden, holt mich die Frage nach den Einladungen zurück. Ich beschließe keine zu wählen, da ich inständig hoffe, noch lange zu leben und dass irgendwann kein Papier mehr für so etwas verschwendet wird.

Nun sind alle wichtigen Faktoren meiner Bestattung geplant und ich bin bei den sogenannten Zusatzoptionen angelangt. Ich traue meinen Augen kaum: Kutsche, Fingerprint-Anhänger, DNA-Halskette, Totenmaske, Handplastik, Fotograf oder Lebensrückblickvideo. Dem Geschäft mit dem Tod scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Auch auszuwählen ist hier eine Thanatopraxie Behandlung. Da ich keine Ahnung habe, was das sein soll, google ich den Begriff und erfahre, dass es die Wiederherstellung meines Äußeren bedeutet. Das klingt für mich um einiges wichtiger als ein Gesichtsabdruck oder meine Abdrücke für Angehörige.

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Screenshot Konfigurator Bestattung Wien

Mit dem nächsten Klick beende ich die Planung und bekomme einen Kostenvoranschlag für meine eigene Bestattung. Alles in allem komme ich auf 3.457,12 Euro. Das teuerste ist der Sarg mit knapp 1.700 Euro. Der Rest setzt sich aus Teilbeträgen zusammen, die in der Summe doch einiges kosten. Nicht im Preis enthalten sind jegliche Friedhofsentgelte, Überführungskosten oder amtliche Gebühren. Der Preis für das Grab sowie eine Trauerfeier kommen auch noch dazu. Selbst zum Sterben muss man also reich sein. Zum Schluss wähle ich noch die Option „Vorsorge“ aus und lass mir die Infos per E-Mail an meine Adresse schicken.

Selbst zum Sterben muss man also reich sein.

Zwischen Autohäusern, Gärtnereien, Grabsteingeschäften fährt die 71er-Straßenbahn, auch Friedhofs-Bim genannt, am Zentralfriedhof, dem morbiden Stolz von Wien, vorbei. Dort gibt es alles rund um das Grab und die Bestattung Wien hat dort ihren Sitz. Ich treffe Geschäftsführer Jürgen Sild, um über die weitere Planung meiner Bestattung zu sprechen und warum er den Bestattungskonfigurator gestartet hat. Sild trägt Anzug und Krawatte. Auf den Ordnern in seinem Büro stehen Aufschriften wie Trauer, Rat oder Hilfe.  Sonnenstrahlen, Teelichter und Wellen glänzen auf ihren Covern. Ein Miniatursarg steht auf dem Regal, daneben liegen Broschüren für DNA-Schmuck.

Vorsorge für sich selbst sei wichtig, aber auch für die Eltern, erklärt Sild immer wieder. Gerade junge Menschen sollten mit ihren Eltern über das Thema sprechen, solange noch Distanz zum Tod vorhanden sei. „Dieses Thema ist mit Eltern um die 50 weniger unangenehm zu besprechen, als wenn sie krank oder um die 80 sind“, so Sild. Wer klar über seine Bedürfnisse spreche, erspare den Angehörigen Sorgen und Leid.

Oft würden Familien gar nicht darüber reden oder Personen keine Angehörige mehr haben. Wenn Menschen dann versterben, blieben viele Fragen und Wünsche ungeklärt. Um mehr Bewusstsein für die Möglichkeiten einer Bestattung zu schaffen, aber die Menschen gleichzeitig auch nicht mit Informationen zu überschütten, entwickelte Sild mit seinem Team die Idee für den Bestattungskonfigurator. Gerade rechtzeitig zum ersten November, Allerheiligen-Allerseelen, ein wichtiger Feiertag in Österreich, an dem unter anderem der Toten gedacht wird und viele an die Gräber gehen.

Das Geschäft mit dem Tod

Irgendwann werde es möglich sein, seine Bestattung tatsächlich online bestellen zu können. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Alle Friedhöfe, Arbeitsabläufe, Termine und Akten müssen dafür digitalisiert werden. Derzeit kann man mit dem Konfigurator zwar alles planen; um die Pläne zu finalisieren, braucht es aber ein persönliches Treffen.

Neben der Digitalisierung geht der Trend laut Sild klar in Richtung Individualismus. Ein ganzer Industriezweig hat sich in den letzten Jahren dahin entwickelt. Bestattungen werden immer individueller und Angehörige wollen Andenken an die Verstorbenen. So sind heute unzählige Produkte wie Ketten und Armbänder mit Fingerabdrücken, DNA, Asche oder ähnlichem der Verstorbenen darin.

Mehr über den Tod sprechen

Je mehr ich selbst über den Tod nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich Angst habe, darüber zu sprechen und vor allem, darüber nachzudenken. Meine Familie zu fragen, ob da noch Platz im Grab ist zum Beispiel. Denn der Tod ist immer noch ein Tabu. Nur keine Wunden aufreißen – und wer will schon das Thema Tod auf den Familientisch packen?

David Roth tut das. Er ist Bestatter und beantwortet in seinem Podcast Talk about Tod Fragen wie: Wie viel kostet ein Sarg? Darf man die Urne der Oma zu Hause ins Regal stellen? Ist schon mal jemand an Leichengift gestorben? Wie riechen Tote? Was passiert zwischen Tod und Beerdigung? Darf man Abschiedsgeschenke in den Sarg legen?

Roth bekräftigt in seinem Podcast immer wieder, dass wir mehr über den Tod sprechen müssen. „Zu Lebzeiten schon an den Tod denken – den meisten von uns ist das unangenehm. Der Tod ist in weiter Ferne, hoffen wir. Unsere Sichtweise verändert sich oft erst, wenn in der Familie ernste Krankheit oder Pflegebedürftigkeit Realität wird.“ Laut ihm war das Sterben noch für die Generation unserer Großeltern viel selbstverständlicher. Wir müssten hingegen erst wieder lernen, dass Sterben und Tod eben auch zum Leben gehören: „Eigentlich alle Menschen, die zu uns kommen, weil sie fürchten, ein lieber Mensch könne bald sterben, berichten von der gleichen Erfahrung: Wie entlastend und befreiend es ist, offen über die Frage ‚Was wäre, wenn…‘ zu sprechen“, heißt es auf der Webseite der deutschen Bestattung Pütz-Roth, wo auch David Roth arbeitet.

Wer vorsorgen will, muss auch bezahlen

Um meine Vorsorge abzuschließen und tatsächlich einen Akt für meine Bestattung anzulegen, müsste ich die volle Summe bezahlen. Da der Verlag derartige Spesen nicht übernimmt, ist an dieser Stelle mein Experiment vorbei. Die Ergebnisse der Konfiguration drucke ich aus, hefte sie mit Notizen ab und bewahre sie auf.  So wissen meine Angehörigen eines Tages ganz genau, was ich will und vor allem, was ich nicht will. Über den eigenen Sarg, die eigene Beerdigung und den Friedhof zu sprechen, mag extrem schräg und auch makaber wirken, tut aber irgendwie gut. Je weniger man das Thema Sterben tabuisiert, desto eher traut man sich, auch selbst darüber nachzudenken. Und die eigene Angst wird dadurch ein kleines bisschen weniger.


„Was geht mit Österreich?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich unsere Korrespondentin und Exil-Österreicherin Eva Reisinger in ihrer Serie. Sie lebt halb in Berlin und halb in Wien und erzählt euch, was ihr jeden Monat über Österreich mitbekommen müsst, worüber das Land streitet oder was typisch österreichisch ist. Wenn du unseren Österreich-Newsletter abonnierst, bekommst du ihn alle zwei Wochen in dein Postfach.

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