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US-Gesundheitssystem: Wenn die Lebensrettung plötzlich unbezahlbar wird

Für viele Amerikanerinnen und Amerikaner ist das Medikament Evzio der
letzte Ausweg. Es kommt zum Einsatz, wenn es eigentlich schon fast zu
spät ist. Das Mittel kann eine Überdosis durch Opiate umkehren – rund
5.500 Leben soll es seit der Zulassung im Jahr 2014 gerettet haben. Doch jetzt hat der Hersteller Kaléo den
Preis für sein Medikament um mehr als 600 Prozent erhöht. Kaléo wolle aus einer der größten gesundheitlichen Krisen des
Landes Profit schlagen, heißt es in einem jetzt veröffentlichten
Untersuchungsbericht des Senats. Denn allein 2017 starben 70.000 Amerikaner
an einer Überdosis durch Opiate. Zum Vergleich: Bei Autounfällen kamen 40.000 Menschen
um.

Als das Mittel vor vier Jahren auf den Markt kam, lag der Preis mit 575 Dollar bereits deutlich über den 250 bis 300 Dollar, die Berater empfohlen hatten. Als der Erlös des Medikaments hinter den Erwartungen zurückblieb, zog die Firma den Preis stufenweise weiter an – auf zuletzt 4.100 Dollar. Das, so das Argument des Herstellers, ermögliche es ihnen, das Medikament jenen kostenfrei zur Verfügung zu stellen, bei denen die Versicherung die Kosten nicht übernehme.“Patienten, nicht Gewinne, haben uns angetrieben”, schreibt Kaléo. Andere sagen, der Hersteller habe sich so vor allem einen größeren Markt erschließen wollen. 

Denn am Ende, heißt es in dem Bericht des Senats, mussten für diese Strategie vor allem die Steuerzahler aufkommen. Denn der Großteil der Kosten wurde von den staatlichen Versicherungsprogrammen Medicare und Medicaid übernommen, die vor allem ältere und einkommensschwache Amerikaner versorgen. Insgesamt habe das Mittel die Steuerzahlerinnen bereits rund 142 Millionen Dollar gekostet. Für viele ist Kaléo das jüngste Beispiel eines Systems, das willkürlichen Preissteigerungen von Medikamenten in den USA kaum Schranken setzt. Die Firma habe ein System ausnutzen können, das eigentlich den Schwächsten im Land ein Sicherheitsnetz bieten solle.

Neue Regeln für Nachahmer

Kritiker hoffen, dass es mit dem neuen Kongress erstmals seit Jahren eine Chance auf eine langfristige Lösung gibt. Die Demokraten hatten die hohen Gesundheitskosten zum Kernthema ihres Wahlkampfs gemacht und sicherten sich so die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Aber auch der republikanische Mehrheitssprecher im Senat, Mitch McConnell, erklärte kürzlich, offen für ein neues Gesetz zu sein. Selbst der Präsident könnte es unterstützen: Schon im Wahlkampf 2016 hatte Donald Trump den Pharmakonzernen den Kampf angesagt. Im Mai veröffentlichte er dazu ein 44 Seiten langes Strategiepapier. Die Pharmalobby, erklärte er, “macht ein Vermögen auf dem Rücken der amerikanischen Verbraucher”.

Allerdings ist das Problem komplex. In den meisten europäischen Ländern handelt der Staat die Preise für Medikamente mit den Herstellern aus. In den USA verhandeln Versicherer, Hersteller und ihre Mittelsmänner. “Das amerikanische System ist ein gewinnorientiertes System, in dem alle Beteiligten darauf bedacht sind, den eigenen Profit zu erhöhen”, sagt Jeanne Pinder von der Seite clearhealthcosts.com, die sich um mehr Transparenz auf dem Versicherungsmarkt bemüht. Experten fordern, dass die Zulassung von nachgeahmten Medikamenten, das Patentrecht und die Besteuerung von Forschung und Entwicklung besser reguliert werden.

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