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Hornkuh-Initiative: Mmmuuuuhhhh!

Müsste man einen Menschen zeichnen, der komplett fremd in einer Welt
steht, in der politischen zum Beispiel, er sähe aus wie Armin Capaul. Der Mann ist die
Inkarnation eines Schweizer Bergbauern-Klischees. Weißer, langer Bart, bunt gestricktes
Chäppi, unschuldig sein Blick aus wasserblauen Augen. Er ist der Erfinder einer der kauzigsten
Volksinitiativen, die es in der Schweiz je gegeben hat.

Am kommenden Sonntag befinden die 5,3 Millionen stimmberechtigten Schweizerinnen und Schweizer über die sogenannte Hornkuh-Initiative. Sie will in der Bundesverfassung, also dem schweizerischen Grundgesetz, festschreiben, dass Landwirte belohnt werden, wenn sie ihren Kühen und Ziegen die Hörner belassen. Mit Geld, versteht sich. Wie hoch diese Hornprämie ausfallen würde, steht nicht im Initiativtext. Einen Franken pro Kuh und Tag lautete ein Vorschlag – und 20 Rappen pro Ziege und Tag. Im Abstimmungskampf ist von einem jährlichen Gesamtbetrag zwischen 15 bis 30 Millionen Franken die Rede.

Noch eine Subvention für die Bauern! Die Gegner zetern. Die Schweiz leistet sich bereits heute eine der teuersten Landwirtschaften der Welt, jeder Franken mehr sei einer zu viel.

In einem Punkt ist man sich einig: Ein Kuhhorn hat in der Verfassung nichts verloren. Eigentlich. Doch die Volksinitiative, die nur Verfassungs-, nicht aber Gesetzesänderungen bewirken kann, war für den rebellischen Bauern Capaul die letzte Chance, seinem Anliegen doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Dies, nachdem er die Bundespolitik jahrelang mit seiner Hornprämie auf Trab hielt, aber nichts bewirken konnte. Also tat er, was einem Schweizer bleibt, wenn er von einer Sache nicht lassen kann. Er sammelte mit Verbündeten 100.000 Unterschriften und erzwang so die Volksabstimmung.

Capaul ist kein stierköpfiger Bauer, sondern ein berufener. Den Auftrag für seinen Kampf gab ihm nämlich: eine Kuh. Marianne, um genau zu sein. Marianne, so erzählt er Journalisten, die zu ihm auf den Hof nach Perrefitte in den Berner Jura reisen, Marianne habe ihm die Augen geöffnet. In dem Moment, als er ihr dabei zugeschaut habe, wie sie einer anderen Kuh, der Rahel, mit der Spitze des Horns den Schlafsand aus dem Augenwinkel gewischt habe. Achtsam. Würdevoll. Seither ist für ihn klar: Aus gutem Grund hätten “die Natur und die Schöpfung die Kuh so geschaffen”. Eine Kuh ist nur dann ganz Kuh, wenn sie Horn trägt.

Mit der Realität hat das nicht viel zu tun. Nur etwa zehn Prozent der 700.000 Kühe in der Schweiz tragen noch Hörner. Die enthornte Hochleistungskuh passt perfekt ins Zeitalter der hocheffizienten Landwirtschaft. Da sie weniger Platz im Stall braucht, kann der Landwirt auf derselben Fläche mehr Rindvieheinheiten unterbringen. Konkret: Tragen Kühe Hörner, so liegt die Distanz, die das rangtiefere Herdenmitglied zum ranghöheren einhält, zwischen einem und drei Metern. Hornlose Tiere haben höchstens einen Meter Abstand zueinander.

Die Hornkuh-Initiative, die manch ein Politiker anfangs für einen Witz hielt, hat der Politschweiz erfrischend neue Diskussionsfelder eröffnet, die mal wissenschaftlich, mal volkskundlich geprägt waren. Manche Debatte driftete in esoterische Sphären ab, etwa wenn es um die Behauptung ging, das Horn unterstütze die Verdauung der Wiederkäuer.

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