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Sonderkommission “Cold Cases”: Krimi bei der Polizei

Jetzt wird es noch einmal richtig schmutzig. Steven Baack, ehemaliger
Leiter der Sonderkommission Cold Cases der Hamburger Polizei, muss wegen schwerer
Ermittlungsfehler seinen Schreibtisch räumen und beschuldigt seinerseits die
Staatsanwaltschaft, sie habe zu dem Justizdebakel beigetragen. Die wiederum prüft zwar
mögliche eigene Versäumnisse, aber auch die Frage, ob Baack sich womöglich sogar strafbar
gemacht hat.

Baack, 38 Jahre alt und ehrgeizig, steht für den jüngsten Skandal in der Hamburger Polizei. Seine Soko hatte einen Kriminalfall neu aufgerollt, der sich 1980 in Steilshoop ereignete: Eine 16-Jährige war nachts auf dem Heimweg überfallen worden, der Angreifer versuchte sie zu vergewaltigen und zu erstechen. Der Täter wurde nie ermittelt.

Fast vier Jahrzehnte später stieß Baack auf eine neue Spur. Um seinen Verdächtigen zu überführen, wandte er aber Methoden an, die nach den schmallippigen Ausführungen von Polizeipräsident Ralf Meyer nicht “in allen Punkten den gebotenen hohen Anforderungen” der Polizei gerecht geworden seien.

Eine Richterin des Hamburger Landgerichts hatte das Ende Oktober klarer formuliert. Ihre Kammer, die über den Fall verhandelte, sprach den Angeklagten frei. Nicht nur aus Mangel an Beweisen, sondern weil er nach Überzeugung der Richter unschuldig ist. Auf die Anklagebank sei er nur aufgrund “fehlerhafter Polizeiarbeit” gekommen, sagte die Vorsitzende. Sie sprach von dubiosen Ermittlungsmethoden, von der suggestiven Befragung und sogar der Täuschung von Zeugen. Die Polizei setzte daraufhin eine Arbeitsgruppe ein, um die Vorwürfe zu prüfen. Schließlich wurde Baack versetzt.

Der alte kalte Fall war nicht der erste, in dem der ehrgeizige Polizist eine unglückliche Rolle spielte. Bevor er 2016 Soko-Leiter wurde, hatte er eine andere Spezialeinheit geführt. Bei einem Einsatz in Mecklenburg-Vorpommern soll er einen Tatverdächtigen mit einem unschuldigen Mann verwechselt und eine Verfolgungsjagd ausgelöst haben. Der Mann, gejagt von Beamten in Sturmhauben, glaubte an einen Überfall und gab Gas, Polizisten aus Baacks Einheit schossen – und verletzten den Unschuldigen so schwer, dass er ein Auge verlor.

Damals hatte das für Baack keine Konsequenzen. Seine Ernennung zum Leiter der Soko Cold Cases galt im Gegenteil sogar als Aufstieg. Nach den kritischen Worten der Richterin kam die Hamburger Polizei aber um Konsequenzen nicht herum. Die neue Leitung der Soko tritt nun Heike Uhde an, 39 Jahre alt, Hauptkommissarin. Sie war lange bei der Mordkommission und gilt als kompetent.

Baack wird versetzt, wohin auch immer. Eine Anklage muss er allerdings kaum fürchten. Nana Frombach, Sprecherin der Ermittlungsbehörde, sieht bislang keine Anhaltspunkte für eine Straftat Baacks. Ihm drohen aber disziplinarrechtliche Konsequenzen.

Von den beiden Opfern des Fehlschlags spricht kaum noch jemand. Die Frau, die vor fast vier
Jahrzehnten Opfer eines brutalen Verbrechens wurde, durchlebte in dem gescheiterten Prozess
einen zweiten Albtraum. Und Frank S., der ein halbes Jahr lang als tatverdächtig galt,
verlangt dafür von der Polizei Schadensersatz.

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