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Immobilienmarkt: Das ist die Härte

Immobilienmarkt: Hat es in Hamburg eine Wende zu einer radikaleren Mieterschutzpolitik gegeben?

Hat es in Hamburg eine Wende zu einer radikaleren Mieterschutzpolitik gegeben?
© Beck für DIE ZEIT

Das umkämpfte Haus liegt mitten im Partygebiet, jedes Wochenende laufen
hier Tausende Feierwütige entlang, um von der Schanze zum Kiez zu gelangen und umgekehrt. Vor
15 Jahren wäre unter der Adresse Hein-Hoyer-Straße 18–22 noch keine potenzielle Luxusimmobilie
denkbar gewesen. Heute gelten Bars und Restaurants in Babyfon-Entfernung als Standortvorteil.
St. Pauli boomt.

Schon im Sommer vergangenen Jahres haben die Mieter mitbekommen, dass die Gründerzeithäuser mit ihren 32 Wohnungen auf dem Immobilienmarkt gelandet waren. Ein Schreiben steckte in den Briefkästen, es kam von einer Immobiliengesellschaft, die mitteilte, sie habe das Ensemble gekauft. “Seither hat von denen keiner jemals wieder etwas gehört”, sagt eine Mieterin.

Für ihre 62 Quadratmeter große Wohnung bezahlt die Frau rund 600 Euro Kaltmiete. Zum Vergleich: Auf der Internetplattform Immonet wird derzeit in der Bleicherstraße, keine 300 Meter Luftlinie entfernt, ein 31 Quadratmeter großes Apartment zum “Erstbezug nach Sanierung” angeboten. Für 700 Euro kalt, also 22,80 Euro pro Quadratmeter, mehr als doppelt viel, wie die Mieter in der Hein-Hoyer-Straße bezahlen. Der Vermieter ist der schwedische Immobiliengigant Akelius, der in Europa und den USA rund 47.000 Wohnungen besitzt. In Hamburg hat das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren etwa 4.200 Apartments gekauft. Auch die Gebäude in der Hein-Hoyer-Straße gerieten in den Blick des Unternehmens. Das Geschäftsmodell: kaufen, modernisieren und dann so teuer vermieten, wie es der Markt eben hergibt.

In der Hein-Hoyer-Straße ist diese Strategie nun erstmals an der Politik gescheitert. Akelius wollte das Ensemble von der Immobiliengesellschaft erwerben, die es erst ein Jahr zuvor gekauft hatte. Doch daraus wurde nichts. Weil der Standort zu einem “Sozialen Erhaltungsgebiet” gehört, kann die Stadt dort das sogenannte Vorkaufsrecht ausüben – sie kann dem Käufer das Objekt vor der Nase wegschnappen. Und das ist passiert: Auf Empfehlung des zuständigen Bezirks Mitte hat die Finanzbehörde das Ensemble gekauft, wahrscheinlich wird es an die städtische Saga weitergereicht.

Die zuständigen Politiker sind Sozialdemokraten, sie alle betonen, dass der Fall Signalwirkung haben solle. Er zeige, “wie wichtig uns der Schutz der Hamburger Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung ist”, sagt Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt. Finanzsenator Andreas Dressel erklärte, das Vorkaufsrecht sei “ein wichtiger Bestandteil unserer aktiven Grundstückspolitik”. Und Bezirksamtsleiter Falko Droßmann kündigte an, man werde “jeden Kaufvertrag im Sinne der Ziele der Sozialen Erhaltungsverordnung schnell und fachkundig prüfen”.

Berlin hat in den vergangenen drei Jahren schon 800 Wohnungen gekauft

Das ist erstaunlich. Bislang gehörte die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht zum Arsenal der Hamburger Politik. In München ist es seit Jahren üblich, Verkäufe an allzu gierige Investoren zu verhindern. Berlin hat in den vergangenen drei Jahren rund 800 Wohnungen per Vorkaufsrecht erworben, vor allem im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wo ein grüner Baustadtrat namens Florian Schmidt ein ehrgeiziges Ziel verfolgt: Binnen zweier Jahrzehnte will er die Hälfte aller Wohnungen in den Besitz von Genossenschaften und landeseigenen Wohnungsunternehmen bringen.

Ganz anders in Hamburg: Vor einem Jahr noch hieß es aus der Stadtentwicklungsbehörde, man habe zwar schon in Einzelfällen mit dem Vorkaufsrecht gedroht, doch bislang sei es nicht nötig gewesen, es auszuüben. In elf Wohngebieten hat die Stadt sogenannte Soziale Erhaltungsverordnungen erlassen, die die Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren. Aus Sicht des Senats boten sie bislang ausreichend Schutz vor Spekulanten. Anders als in Berlin komme es in Hamburg eher selten vor, dass Mietshäuser aufgekauft und in Eigentumswohnungen zerlegt würden.

Tatsächlich fanden seit 2011 in den Gebieten mit Sozialer Erhaltungsverordnung in Hamburg nur drei Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen statt, insgesamt waren es in den innenstadtnahen Bezirken 1860 Umwandlungen. Zum Vergleich: In Berlin wurden zwischen 2006 und 2015 fast 75.000 Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt. Den Investoren die Häuser wegkaufen? Das sei in Hamburg nicht nötig, meinte man bislang im SPD-geführten Senat, nur keine unnötige Aufregung.

Jetzt klingen Hamburgs SPD-Politiker plötzlich wie Hausbesetzer aus den Achtzigern. “Wir in Hamburg wollen keine Spekulanten haben”, sagte SPD-Fraktionsführer Dirk Kienscherf in die Fernsehkameras, im Hindergrund das Haus in der Hein-Hoyer-Straße. “Wir wollen keine ausländischen Investoren, die hier Häuser modernisieren und sie dann teuer weiterverkaufen, was zur Folge hätte, dass Mieter verdrängt werden würden.”

Der Bezirk Altona will jetzt bei fünf Häusern im Schanzenviertel das Vorkaufsrecht anwenden, auch der Bezirk Eimsbüttel prüft das für mehrere Mietshäuser.

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