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Klimapass: Klimapass? Eine verrückte Idee

Wir haben zu viel CO2 in die Atmosphäre geblasen, vorgestern, gestern und wir tun es heute noch so ungehemmt, als würde es immer ein Morgen geben. Dafür müssen wir Verantwortung übernehmen – zum Beispiel mit dem Klimapass. Das finden jedenfalls die Grünen. In ihrem gerade eben verabschiedeten Wahlprogramm steht zu lesen: “Historisch betrachtet sind die westlichen Industriestaaten die Hauptverursacher klimaschädigender Treibhausgase. Daher soll die EU zusammen mit anderen Industriestaaten vorangehen und im Rahmen einer gemeinsamen Regelung den Bewohner*innen von bedrohten Inselstaaten, die durch die Klimakrise unbewohnbar werden, Klimapässe anbieten.”

Die Idee geht auf den weltweit renommierten deutschen Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber zurück, den Gründer und jahrelangen Vorsitzenden des Potsdamer Klimaforschungsinstituts. Auch der Wissenschaftliche Beirat der Regierung für Globale Umweltveränderungen (WGBU) hat sie aufgenommen. Die WGBU bezeichnet den Klimapass als ein “zentrales Instrument einer menschenwürdigen Klimapolitik”. In dem Politikpapier, das der WGBU der Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vergangen Sommer überreichte, steht zu lesen, der Klimapass “soll von der Erderwärmung existenziell bedrohten Personen die Option bieten, Zugang zu und staatsbürgergleiche Rechte in weitgehend sicheren Ländern zu erhalten”. 

Wir haben uns noch nicht von 2015 erholt

Wenn Verursacher des Klimawandels Verantwortung übernehmen sollen, dann klingt das zunächst mal vernünftig. Die Idee vom Klimapass allerdings ist eher verrückt. Weil also Ihre Großeltern, ihre Eltern und Sie vor allem zu viel CO2 produziert haben, werden Sie und Ihre Kinder Menschen untergehender Inselstaaten als Nachbarn bekommen?

Diese Vorstellung dürfte viele erschrecken – die Deutschen haben sich ja noch nicht mal von der großen Wanderung im Jahr 2015 erholt, und schon sehen sie vor ihrem geistigen Auge zahllose Menschen, den Klimapass in der Hand, über die Grenze kommen. Auch den Grünen dürfte dämmern, dass sie mit dieser programmatischen Forderung nicht unbedingt Wahlkämpfe gewinnen werden. Auf Nachfrage sagte Ska Keller, die Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahlen, das mit dem Klimapass sei eher symbolisch gemeint. Außerdem handle es sich doch nur um eine kleine Zahl von Menschen.

Klein? Wie kommt sie auf diese Einschätzung? Folgende Inselstaaten gelten als akut vom Klimawandel bedroht: Tuvalu (12.000 Einwohner), Nauru (14.000), Kiribati (116.000), Vanuatu (267.000), Tokelau (1.500), Fidschi (880.000) sowie die Salomonen (622.000) und die Carteret-Inseln (2.600) im Pazifik, die Malediven (344.000) im Indischen Ozean und die Bahamas (353.000) in der Karibik – das macht zusammen 2,61 Millionen Menschen.

Die Kriterien für den Klimapass sind viel zu unklar

Freilich, man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass das für die Europäische Union mit ihren noch (Brexit) 550 Millionen Einwohnern ein Klacks sei. Doch das Argument hat schon 2015 nicht funktioniert. Vielmehr hat es die EU gespalten wie kaum ein Ereignis vorher. Außerdem sind ja nicht nur Inselstaaten vom Klimawandel bedroht, auch Küstengebiete, Megastädte wie Jakarta (10 Millionen Einwohner) und weite afrikanische Landstriche könnten durch den Klimawandel veröden, während Teile des Nahen Ostens nach mehreren Studien bis in das Jahr 2050 so heiß werden könnten, dass sie praktisch unbewohnbar wären. Das haben die Befürworter des Klimapasses natürlich berücksichtigt. In dem Papier des WBGU steht: “Mittelfristig sollte der Pass auch massiv bedrohten Menschen anderer Staaten, einschließlich Binnenvertriebener, zur Verfügung stehen. Als Aufnahmeländer sollten sich Staaten mit erheblichen historischen wie heutigen Treibhausgasemissionen und somit großer Verantwortung für den Klimawandel engagieren.”

Diese radikalen Forderungen haben sich die Grünen zu eigen gemacht. Da es ja im Moment danach aussieht, dass sie in nicht allzu ferner Zeit auch in Berlin regieren werden, müssten sie schon mal überlegen, mit welchen Argumenten sie den vielen, vielen Menschen, die diese Regionen verlassen könnten, den Klimapass verwehren können. Oder wollen die Grünen allen Menschen, deren Lebensgrundlagen vom Klimawandel bedroht sind, einen Klimapass ausstellen? Man darf gespannt sein.      

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