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Europäische Währungsunion: Deutschland am Apparat

Der Text ist dann doch etwas länger geworden. Insgesamt mehr als 20 Seiten
umfassen die Arbeitspapiere des Bundesfinanzministeriums, die die “Grundlage für die
Verhandlungen auf europäischer Ebene” bei der anstehenden Reform der Währungsunion
skizzieren.

In den Dokumenten, die der
ZEIT
vorliegen, führt die Bundesregierung erstmals konkret aus, wie sie auf den Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagieren will. Der hat vor mehr als einem Jahr einen ambitionierten Plan für einen weitreichenden Umbau der Euro-Zone vorgelegt, mit einem gemeinsamen Finanzminister, einem gemeinsamen Haushalt und einem gemeinsamen Parlament.

Die Antwort auf diese Vorschläge ist so etwas wie das europapolitische Gesellenstück von Olaf Scholz. Er ist der zuständige Minister, es ist sein Thema. Scholz hat immer wieder mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire verhandelt. Er hat sich mehrmals mit Unterhändlern aus Nordstaaten wie den Niederlanden getroffen, weil diese mit den Pariser Vorschlägen gar nichts anfangen können.

Im Zentrum steht nun der Ausbau des Krisenfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds. Der ESM darf bisher nur Kredite an Länder vergeben, die von einer schweren Krise erfasst wurden – und auch nur, wenn diese Länder im Gegenzug harte Reformauflagen umsetzen. Nun soll der Fonds eine neue Kreditlinie erhalten, die auch wirtschaftlich solide Länder in Anspruch nehmen können, ohne Reformen umsetzen zu müssen. Die Logik: In anderen Weltregionen würde ein solches Land, wenn es von einer Krise erfasst wird, von seiner Zentralbank unterstützt werden. Die Euro-Länder haben aber keine eigene Zentralbank mehr. Deshalb soll der neue Währungsfonds diese Aufgabe übernehmen.

Über eine erste Einsatzmöglichkeit wurde in Brüssel bereits diskutiert: Er könnte die übrigen Euro-Staaten absichern, wenn der Konflikt mit Italien eskaliert und es zu Turbulenzen an den Finanzmärkten kommt. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings streng: Die betroffenen Länder müssen mit einem “asymmetrischen ökonomischen Schock außerhalb ihrer politischen Kontrolle” konfrontiert sein. Und sie müssen die europäischen Budgetregeln einhalten. Konkret: Das Etatdefizit muss weniger als drei Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, und die Staatsschuldenquote darf nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung entsprechen.

Wenn die Quote diese Schwelle übersteigt, muss das Land nachweisen, dass es diese in den drei Jahren vor Beantragung des Kredits um mindestens 0,5 Prozentpunkte jährlich gesenkt hat. Italien könnte damit derzeit kein Darlehen bekommen. Für überschuldete Länder soll eine Art Insolvenzverfahren eingeführt werden. Allerdings ist nicht vorgesehen, dass diese Länder “automatisch” in die Insolvenz geschickt werden, wenn sie einen Kredit beantragen. Begründung: Das würde Krisen verschärfen.

Der Vorschlag folgt einem Muster, das sich durch alle Dokumente zieht: Wo Macron auf politische Visionen setzt, setzt Scholz auf technische Details. Und wo Macron Gas gibt, tritt Scholz auf die Bremse. Das zeigt sich auch beim Euro-Budget. Die Franzosen wollten dafür mehrere Hundert Milliarden Euro. Die Idee: Aus diesem Topf werden Investitionen finanziert und Länder in wirtschaftlicher Not gestützt. Scholz pocht darauf, dass dieses Budget Teil des allgemeinen EU-Haushalts wird. Es würde sich damit hauptsächlich aus bislang nicht näher benannten Beiträgen der Mitgliedsstaaten speisen – und ob es dafür zusätzliches Geld gibt, ist unklar.

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