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Solidaritätszuschlag: Muss der “Soli” weg?

Ja!

Der Zuschlag fließt nicht mehr in den Aufbau Ost. Damit ist seine Grundlage weg. Ihn weiter
zu erheben, kostet Vertrauen.
Von Roman Pletter

Preisfrage: Wie viel mehr als der Durchschnittsdeutsche muss ein
Steuerzahler hierzulande einnehmen, damit er unter den Spitzensteuersatz fällt? Muss sein
Einkommen fünfmal so hoch sein wie das des Durchschnitts? Oder zehnmal so hoch? Die richtige
Antwort lautet: Es ist das 1,6-Fache des Durchschnittseinkommens. 1960 war das noch anders.
Unter den Spitzensteuersatz fiel damals nur, wessen Einkommen 16-mal so hoch war. Doch heute
gilt nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts schon als Spitzenverdiener, wer anderthalbmal so
viel bekommt.

Für die Diskussion um die Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist es sehr hilfreich, sich
diese Tatsache bewusst zu machen. Der bei den Freunden des “Soli” beliebte Hinweis darauf,
dieser treffe ohnehin nur entrückte Superreiche, die sich der Finanzierung des Gemeinwesens
entziehen würden, fußt nämlich vor allem auf einer entrückten Realitätswahrnehmung.

Wer heute 54.950 Euro im Jahr verdient, lebt in einer Stadt wie Hamburg oder München ganz
sicher kein Oligarchenleben, entrichtet aber schon den Spitzensteuersatz von 42 Prozent, plus
Sozialabgaben. Zu dieser Belastung kommt der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent auf die
Einkommensteuer. Den hatte der Gesetzgeber 1991 eingeführt, explizit um den Aufbau Ost zu
finanzieren. Tatsächlich fließen die Einnahmen aus dem Soli aber schon lange ohne Zweckbindung
in den Staatshaushalt. Der mit der Abgabe einhergehende Solidarpakt, um die neuen Bundesländer
zu modernisieren und aufzurichten, läuft zudem im kommenden Jahr aus. Es wäre also an der
Zeit, auch den Zuschlag einfach abzuschaffen.

Doch die Verfechter der Abgabe, vor allem in der SPD, arbeiten nun an einer semantischen
Umwidmung: Was gedacht war als Solidarität mit dem Osten, soll nun weitergehen als Solidarität
der vermeintlich Reichen mit, ja: mit wem eigentlich? Den Armen? Dies ist ein ökonomisch
mindestens fragwürdiger und politisch ganz sicher falscher Weg.

Ökonomisch fragwürdig ist, warum in Zeiten von Haushaltsüberschüssen (ja, es kommt seit
einigen Jahren mehr in den öffentlichen Kassen an, als eingeplant worden war!) der Staat das
Geld zwingend ausgeben und sich die Einnahmen auch künftig sichern muss, anstatt die Bürger
selbst entscheiden zu lassen, was sie mit ihrem Einkommen tun. Den Steuerzahlern der jüngeren
Generation schuldet die Regierung ohnehin etwas. Sie könnten aus dem höheren Netto schon mal
etwas sparen, um später die gerade auf ihre Kosten beschlossene Rentenreform zu
finanzieren.

Politisch ist das Festhalten am Soli um jeden Preis vor allem Ausdruck von Kleinmut. Es fehlt
den Befürwortern ganz offensichtlich am Vertrauen, dass sie für ihre Ideen Unterstützung durch
Wähler finden, wenn sie dafür um höhere Steuern oder Kürzungen an anderer Stelle werben
müssten. Schließlich könnte die Regierung mit ihrer Parlamentsmehrheit doch einen neuen
Zuschlag einfach beschließen, um sozialen Unwuchten im Land zu begegnen. Es steht ihr auch
frei, den Spitzensteuersatz für sehr hohe Einkommen anzuheben oder unverdientes Vermögen wie
Erbschaften höher zu besteuern als selbst verdientes Einkommen. Und es steht ihr frei, die
Abgaben für einen jeden zu erhöhen, den sie für reich hält. Es sieht nur so aus, dass es der
SPD am Mut fehlt, dafür zu werben, oder am Glauben, genügend Menschen davon zu überzeugen.
Kein Wunder, dass sie kaum mehr jemand wählen mag.

Der Schaden, den die SPD damit anrichtet, geht über sie selbst hinaus. Den
Solidaritätszuschlag als Einnahmequelle zu behalten und ihn nicht wieder abzuschaffen, obwohl
das anders versprochen war, wird vor allem eines kosten: das Vertrauen vieler Bürger in die
politische Führung. Das ist ihnen nicht zu verdenken, zumal wenn diese Führung es nicht mal
für nötig hält, um ihr Geld zu werben.

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