/Fußball: “Die Holländer sind im Fußball weniger hysterisch als die Deutschen”

Fußball: “Die Holländer sind im Fußball weniger hysterisch als die Deutschen”

Zehn Jahre lang bildete Frank Wormuth, 58, als Leiter der DFB-Akademie deutsche Fußballtrainer für den Profibereich aus. Seit Sommer ist der ehemalige Teamkamerad und Co-Trainer von Joachim Löw selbst Coach beim niederländischen Erstligisten Heracles Almelo. Das macht ihn zum Grenzgänger zweier Fußballkulturen, deren Nationalteams sich erneuern wollen und am Montag im letzten Gruppenspiel der Nations League wieder aufeinanderstoßen. Selbst wenn die deutsche Elf gewinnt, wird sie als Letzter absteigen.

ZEIT ONLINE: Mijnheer Wormuth, wie kommt man von der Hennes-Weisweiler-Akademie in Köln zu einem Erstligaverein in der niederländischen Provinz? 

Frank Wormuth: Sie meinen: Aus der Komfortzone DFB zurück ins Haifischbecken Profifußball?

ZEIT ONLINE: Wenn Sie es selbst sagen …

Wormuth: Ich musste vor zwei Jahren die Arbeit mit der U20 abgeben, danach hat mir diese Tätigkeit mit den Spielern auf dem Platz gefehlt. Als dann mein Vertrag beim DFB auslief, habe ich die Situation genutzt, um über mein Netzwerk den Markt zu befragen. Dabei wurde mir schnell klar, dass ich eigentlich ins Ausland möchte.

ZEIT ONLINE: Wie kamen Sie dann auf Heracles Almelo?

Wormuth: Durch einen niederländischen Agenten. Der Verein war auf der Suche nach einem Ausbildungscoach. In diesem Zuge haben sie schon geguckt, wer den Nagelsmann und andere in Deutschland ausgebildet hat. Im ersten Gespräch stellte ich schnell fest, dass Heracles so was wie der SC Freiburg der Eredivisie ist. Ähnlich aufgebaut, sehr familiär.

ZEIT ONLINE: Inzwischen haben Sie sechs deutsche Profis im Kader. Wie kann man die in eine Liga mit bescheidenen Gehältern locken?

Wormuth: Das Gehaltsniveau ist hier tatsächlich anders. Deswegen haben wir in Deutschland eher in der dritten Liga und der U19-Bundesliga gesucht. Dort findet man noch Rohdiamanten, die geschliffen werden müssen. Für mich eine spannende Geschichte.

ZEIT ONLINE: Wie begegnet man Ihnen als Deutschen im Land der ambitionierten Fußballphilosophien? Stehen Sie unter besonderem Beweisdruck?

Wormuth: Ich erkläre den Leuten hier nicht den Fußball. Trotzdem bin ich ein Ausländer und nehme den einheimischen Trainern einen Platz weg. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass man das negativ sieht. Die Leute gucken natürlich, wie wir arbeiten, und da mache ich offenbar einiges anders.

ZEIT ONLINE: Zum Beispiel?

Wormuth: Zum Beispiel, die Startelf immer wieder mittels ein, zwei Wechseln zu ändern, um vierzehn, fünfzehn Spieler auf gleichem Niveau zu halten. Das kennen sie hier nicht. Auch die Intensität des Trainings ist so nicht bekannt gewesen oder die Arbeit im Detail. Wir haben letzte Woche zum Beispiel fünf Einheiten zum Thema “Gegner binden mit und ohne Ball” gehabt. Und wenn ich erkläre, wo beim Torschuss der Körperschwerpunkt sein sollte, sagen die Spieler: Hat mir noch kein Trainer gesagt, aber danke.

ZEIT ONLINE: Wie verschieden fühlt sich der Fußball in der Eredivisie tatsächlich an?

Wormuth: Das erkennt man schon an der Statistik. Während meine Jungs in 90 Minuten 110 Sprints über 25 Kilometer pro Stunde machen, machen sie zum Beispiel bei Eintracht Frankfurt 245. Es geht hier zwar auch zur Sache, aber nicht so wie in Deutschland. Unser derzeitiger Slogan ist: Erst Körper, dann Ball. Nun stehen wir in der Foul-Statistik an erster Stelle. Die Jungs haben das zu ungestüm umgesetzt, sie müssen noch die Balance finden.

ZEIT ONLINE: Deutsche Youngster wie Mark Uth oder Peter Niemeyer sind in holländischen Mannschaften Stammspieler geworden und als bessere Profis in die Bundesliga gekommen. Kann das eine Erfolgsformel sein?

Wormuth: Es zeigt, dass man sich in Holland als Spieler entwickeln kann. Wer hierhinkommt, kriegt durch die Spielweise eine Ausbildung, die ihm auch in Deutschland hilft.

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