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Schach-WM: Mag Magnus nicht mehr?

Es wird so viel geschrieben über diese Schach-WM, noch dazu in verschiedenen Sprachen, dass selbst die in London anwesenden Mattreporter nicht alles lesen können. So kennen viele einen Text nicht, in dem eine Information verborgen ist, die zum Verständnis dieser WM wesentlich beiträgt.

Am 7. November, zwei Tage vor der ersten Runde in London, schreibt der norwegische Großmeister Jonathan Tisdall eine Vorschau auf das Match. Tisdall, gebürtiger Amerikaner, Sohn eines Iren und einer Japanerin, heute Norweger, arbeitet für die englischsprachige Internetsektion der Tageszeitung Aftenposten in Oslo; sein Text erscheint allerdings auf chess.com, der führenden amerikanischen Schachwebseite.

“Dreizehn Dinge, die man über die Weltmeisterschaft wissen muss”,
die Überschrift gibt noch keinen Hinweis auf den brisanten Inhalt.
Tisdall beginnt mit der norwegischen Schachbegeisterung, die selbst ihn
immer wieder verblüffe, etwa wenn Carlsens Partien während der
Hauptsendezeit im Fernsehen übertragen würden und die Zwischenstände der
Premier League im Fußball als Ticker unten durchs Bild liefen. “Wie
verrückt ist das!”

Das wissen die Schachreporter natürlich inzwischen und lesen deshalb
vielleicht nicht weiter. Dabei wartet unten im Text ein Knaller. Punkt 8
ist überschrieben mit dem Stichwort “Müdigkeit”. Tisdall berichtet, wie
sich Carlsens ältere Schwester Ellen kürzlich geäußert habe: “Sie
glaubt, dass Magnus den Wunsch hege, auf die Bürde des Titelkampfes und
des Kampfes um den Platz eins der Weltrangliste zu verzichten.”

Die sechste Partie zum Nachspielen

Dazu muss man wissen, dass Carlsen sehr in der Familie lebt. Nicht nur sein Vater Henrik ist in wichtigen Phasen seiner Schachkarriere und seines Lebens – was dasselbe ist – immer bei ihm. Wenn seine Schwester Ellen, die einst sein erstes Opfer am Schachbrett war, sich öffentlich so äußert, dann muss es ernst sein.

Das Thema kommt am Freitag mitten in der sechsten Runde auf, als Carlsens Manager Espen Agdestein neben der ungarischen Großmeisterin Judit Polgár Platz nimmt, der einst stärksten Schachspielerin der Welt, die in einem WM-Studio alle Partien dieser WM vor Publikum und für das Netz kommentiert.

Kein Kaffee mit Espen

Agdestein soll ein wenig erzählen: Wie läuft es bei Magnus? Wer Agdestein kennt, weiß, dass er, wenn er erzählt, immer nur sehr wenig erzählt, am liebsten gar nichts. Denn es könnten ja Dinge zur Sprache kommen, die dem Erfolg seines Chefs und Schützlings schaden könnten. Ich versuche seit einer Woche, mit ihm einen Kaffee zu trinken – irgendwie will es nicht klappen.

Vor der Kamera kann er nicht kneifen. Ja, die WM-Kämpfe im Vergleich: Also der erste, 2013 im indischen Chennai gegen Viswanathan Anand, sei natürlich der aufregendste gewesen, sehr besonders, der Titelgewinn. Der Rückkampf gegen Anand 2014 im russischen Sotschi dann “nicht so aufregend”, Magnus sei ja schon “der große Favorit” gewesen. Der Kampf in New York 2016 dann, gegen Sergei Karjakin, sei “der schwierigste” gewesen. Nun, 2018 in London, habe es Magnus mit der Nummer zwei der Welt zu tun, einem Gegner, der am Aufsteigen sei. “Das ist eine große Herausforderung.”

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