Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Eye hat am frühen Morgen 17 Menschen von einem Holzboot im Mittelmeer aufgenommen. Nach eigenen Angaben sollte die Crew sie an die libysche Küstenwache übergeben. Diese habe die Besatzung aufgefordert, anzuhalten und ihr die aufgenommenen Menschen zu übergeben. Die Seenotleitung in Bremen empfahl der Nichtregierungsorganisation (NGO) auf deren Anfrage, den Anweisungen der Küstenwache Folge zu leisten. Das bestätigte die Bremer Rettungsleitstelle auf Nachfrage von ZEIT ONLINE. Sie betonte aber, sie sei nur für die Nord- und Ostsee zuständig, außerhalb dieses festgelegten
Bereiches weder für Hilfsschiffe noch allgemein für Schiffe
unter deutscher Flagge. Zuständig für die Koordinierung vor Ort sei immer die Seenotleitung, in dessen Seegebiet sich ein Schiff befinde.
In einem ZEIT ONLINE vorliegenden Schreiben hat sich Sea-Eye deshalb an das Auswärtige Amt gewandt und um Unterstützung gebeten: “Nach unserer Auffassung ist eine Übergabe von geretteten Menschen und
Rückführung nach Libyen nicht zu verantworten”, heißt es darin. Tripolis sei kein sicherer Hafen. Das Schiff mit den Namen Professor Albrecht Penck fährt unter deutscher Flagge. Das Auswärtige Amt bestätigte, Kenntnis von dem Fall zu haben, äußerte sich darüber hinaus aber nicht dazu.
Schiff verlässt libysche Gewässer
Nach Verhandlungen mit der libyschen Küstenwache verlässt das Schiff nun die libyschen Gewässer mitsamt der Schiffbrüchigen darauf. Es muss nach eigenen Angaben ab sofort 90 Seemeilen von der Küste Abstand halten. Die Crew sucht einen anderen, sicheren Hafen.
An Bord des Rettungsschiffes sollen sich neben der Crew 16 Männer und eine Frau befinden, darunter zwei Personen mit “auffällig reduziertem Bewusstseinszustand”. Man habe sie an Bord genommen, nachdem es auf dem instabilen Holzboot zunehmende Unruhe unter den Menschen gegeben habe, schreibt die NGO.
“Ich bin kein Rechtsgelehrter, aber ich halte die Anweisung aus Bremen
angesichts der Menschenrechtssituation in Libyen für völkerrechtswidrig”, sagte der Chef der Rettungsmission, Jan Ribbeck, ZEIT ONLINE. Er fürchte, dass die Menschen wieder den
Repressalien ausgesetzt sein würden, vor denen sie geflohen seien, wenn
die Besatzung sie an die libysche Küstenwache übergeben würde. Flüchtlinge kommen nach der Überstellung in der Regel in staatliche Gefängnisse. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch berichten regelmäßig von überfüllten Lagern mit Hunderten Menschen in Räumen ohne Fenster. Das Essen dort sei knapp, einige Menschen berichteten auch von Folter und Vergewaltigungen.
In diesem Jahr mindestens 2.241 Tote auf dem Mittelmeer
Das Schiff Professor Albrecht Penck ist das erste Schiff einer zivilen
Seenotrettungsorganisation, das unter deutscher Flagge und mit deutscher Zulassung fährt.
Das ehemalige Forschungsschiff ist erst seit Kurzem auf Rettungsmission
im Mittelmeer unterwegs. Ende November legte es in Rostock ab. Nach
Sea Watch und Mission Lifeline kehrte damit die dritte Hilfsorganisation
nach mehreren Monaten Zwangspause wieder auf das Mittelmeer zurück.
Die Sea Watch 3 hatte am 22. Dezember 32 Migrantinnen und Migranten aufgenommen und wartet seither auf die Zuweisung eines sicheren Hafens. Italien, Malta, Spanien, die Niederlande und Deutschland haben eine Einfahrt verweigert. Die spanische Open Arms ist am Freitag mit 300 Menschen an Bord in den Hafen des spanischen Ortes Campamento eingelaufen. Mehrere Länder hatten sich zuvor geweigert, die Geretteten aufzunehmen.
Laut der Internationalen Organisation für Migration und dem Flüchtlingswerk UNHCR sind in diesem Jahr bereits mindestens 2.241 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer gestorben. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums hat Deutschland in diesem Jahr 115 aus Seenot gerettete Menschen aufgenommen.
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