Unternehmer, Investor, Milliardär: Peter Thiel hat das Silicon Valley
mitgeprägt – und das Valley ihn. Dort hat er studiert, dort gründete er vor 20 Jahren
gemeinsam mit Elon Musk und anderen PayPal und revolutionierte damit das Bezahlen im Internet.
Später ermöglichte er als erster Investor einem Start-up namens Facebook den Aufstieg und
gründete Palantir, das neben Geheimdiensten und Verwaltungen vielen privaten Firmen die Daten
organisiert. Doch Anfang des Jahres kehrte Peter Thiel, 51, dem Silicon Valley den Rücken. Er
bezweifelte, dass dort noch der große Fortschritt entsteht. In seiner Wahrnehmung hat sich
eine linksliberale Diktatur breitgemacht, die Andersdenkende bestraft. Und das Andersdenken
ist seine Mission.
Im Frühjahr 2016, als der Präsidentschaftskandidat Donald Trump noch ein Underdog ist, schlägt sich der deutschstämmige Geschäftsmann Thiel auf dessen Seite. Nach der Wahl spielt er eine zentrale Rolle in Trumps Übergangsteam und bleibt dem Neuen im Weißen Haus auch treu, als der seine Idee von
“America first”
umsetzt und es mit einem Sonderermittler wegen möglicher Russland-Verbindungen zu tun bekommt. Zu Hause im Silicon Valley erntet Thiel dafür viel Kritik. Zu viel. Schließlich zieht er von San Francisco nach Los Angeles.
Thiel hat mit seinen Prognosen und Strategien für die Zukunft bislang oft richtig gelegen; krachend gescheitert ist er nur mit einem Hedgefonds, der in der Finanzkrise implodierte. Stimmt seine These auch diesmal, dann lässt die Dynamik im Silicon Valley bereits nach, dann bremst der Konformismus die Innovation aus. Zeit für einen Besuch.
Ein erstes Treffen findet in Thiels Übergangsbüro in West Hollywood statt. Ein heruntergekühlter Konferenzraum mit niedrigen Decken, wie es sie in Amerika tausendfach gibt. Man muss kein Mitleid haben angesichts des etwas schäbigen Ambientes: Peter Thiel lässt gerade die oberen drei Stockwerke für sich und die Mitarbeiter in seinen Investmentfirmen und in der eigenen Stiftung umbauen. Er erscheint pünktlich in weißem Oberhemd und Anzughose, kurze Begrüßung, und schon fragt er nach der Lage in Deutschland. Doch die Frage ist: Warum ist er jetzt hier und nicht mehr im Valley?
Thiel holt aus, berichtet von einem Vortrag in Stanford im Jahr 2005. Es kam die Frage auf, wo das nächste Google zu finden sei. Die Suchmaschine war damals sieben Jahre alt. “Ich antwortete, das nächste Google sei wahrscheinlich in einem Radius von acht Kilometern rund um den Hörsaal zu finden, in dem wir uns befanden”, erzählt Thiel. “Später stellte sich heraus, dass Facebook das nächste Google war. Es war damals nur gut drei Kilometer von uns entfernt.”
2018 würde er das nicht mehr sagen. Selbst bei einem Radius von 80 Kilometern nicht, sagt Thiel. Großartige Firmen könne man heute auch woanders entwickeln. Zwar bietet das Valley ihm zufolge immer noch ein einzigartiges Netzwerk mit all den Vorbildern und Seriengründern, dem Risikokapital, den Universitäten von Stanford bis Berkeley. Aber Tech-Konzerne wie Google machen es mit ihren Luxusgehältern und ihrer Dominanz neuen Firmen schwer. Die explodierten Mieten in San Francisco wirken wie eine Zusatzsteuer. Irgendwann, so Thiels Theorie, wiegen die Belastungen schwerer als die Vorteile. Und obwohl immer noch jeder mit jedem redet, schlägt die Weisheit der Masse irgendwann in kollektiven Wahnsinn um.
Immer schon sei das Silicon Valley linksliberal gewesen. “Aber es hat mich in den vergangenen zwei, drei Jahren schon getroffen, dass es fast unmöglich wurde, etwas Konservatives zu sagen. Natürlich hat die Mehrheit in einer Demokratie eher recht. Doch bei hundert zu null ist man in Nordkorea, und irgendwas ist schiefgelaufen. Wären sich alle einig, wäre das schon schlimm. Die Wahrheit ist schlimmer: 85 Prozent stimmen überein, und die anderen 15 Prozent haben zu viel Angst, um etwas zu sagen.”
Thiel nennt das eine “weiche totalitäre Entwicklung” und glaubt, dass andere Fragen zwar wichtiger sind als Politik: Wissenschaft und Technik, Philosophie und Religion. Aber bei der politischen Debatte könnten die Bürger am leichtesten mitreden. “Wenn man schon darüber nicht mehr diskutieren kann, dann über gar nichts mehr. Und das ist höchst ungesund.”
Da mischt sich die berufliche Skepsis eines weltbekannten Investors mit persönlicher Enttäuschung. Er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass er zu Hause so viel Kritik für die Unterstützung Trumps einstecken müsste. Thiel ist zwar ein
contrarian,
dem Mode und Mainstream aus Prinzip verdächtig sind. “Aber ich dachte naiverweise, dass dies gar nicht konträr sei. Schließlich ist das halbe Land für Trump. Doch im Valley wirkte es wie das Verrückteste, das ich je getan habe.”
Es hatte schon was vom verstoßenen Sohn, als in den Medien diskutiert wurde, ob Thiel für Facebook noch tragbar sei. Dort sitzt er bis heute im Aufsichtsrat. Näher ging ihm wohl, dass hinter seinem Rücken geredet wurde. “Die meisten Leute sagen mir die Dinge nicht ins Gesicht”, sagt Thiel und lacht kurz. “Wenn jemand anderer Meinung ist, dann wird das Gespräch einfach vermieden.” Deshalb weiß er auch nicht genau, ob ihm sein politisches Abenteuer geschäftlich schadet und Jungunternehmer ihn deshalb ablehnen. “Vielleicht nehmen jetzt tatsächlich einige Leute kein Geld von mir”, sagt er und tröstet sich: “Wenn sie das so politisch sehen, dann heißt das nichts Gutes fürs Geschäft.”
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