Peter Altmaier wagte sich erst aus der Deckung, nachdem der
Klimagipfel in Katowice zu Ende war. Das Land brauche “einen neuen Anlauf durch Politik und Wirtschaft”,
sagte der Bundeswirtschaftsminister im Saarländischen Rundfunk, denn die Ergebnisse von
Katowice reichten “leider überhaupt nicht aus, um den Klimawandel zu stoppen”.
Dann übergoss er seine Botschaft noch mit Pathos, in einem Interview mit der Rheinischen
Post: “Sonst
versündigen wir uns an der Zukunft der jungen Generation”, sagte er. Und weil
sich das so gehört für einen Wirtschaftsminister, fügte er hinzu: Werde der
Klimaschutz richtig gemacht, könne er mehr Arbeitsplätze schaffen, als er
koste.
Altmaier
hat völlig recht – Deutschland tut nicht genug für den Klimaschutz, und
täte die Regierung mehr, könnten im Saldo neue Arbeitsplätze entstehen.
Überraschend – und ärgerlich – sind seine Äußerungen trotzdem. Er ist der Wirtschaftsminister. Damit gehört Altmaier genau jener Bundesregierung
an, die sich laut Altmaier gerade an der jungen Generation versündigt. Es wäre
an ihm selbst – und an der Bundeskanzlerin, als deren enger Vertrauter er
gilt –, einen neuen Anlauf im Klimaschutz zu unternehmen. Doch diese
Bundesregierung geht mit der globalen Klimakrise merkwürdig gleichgültig um. Und
der Wirtschaftsminister trägt dazu bei.
Zum
Beispiel in der vergangenen Woche, als Bundesumweltministerin Svenja Schulze gerade
in Katowice auf dem Klimagipfel verhandelte. Sie rief die Versammelten eindringlich
zu mehr Ehrgeiz im Klimaschutz auf. An ihrer Seite standen Vertreter von
weiteren EU-Staaten und von Entwicklungsländern, die der Klimawandel in ihrer
Existenz bedroht. Es war der richtige Appell am passenden Ort zur rechten Zeit.
Hätten Deutschland und die EU in Katowice erklärt, bald strengere Klimaziele
vorlegen zu wollen, so wie es viele Delegierte forderten – sie hätten auf
dieser Konferenz ein starkes Zeichen gesetzt.
Uninspiriert und mutlos
Nur
leider hatte die Ministerin dafür keinen Spielraum. Und zu allem Überfluss fiel ihr Altmaier zu Hause
noch in den Rücken:
Es sei Schulzes gutes Recht, auf dem Klimagipfel Dinge anzukündigen, sagte er,
aber entscheiden müsse am Ende die Bundesregierung. Er wolle “Ziele, die wir
tatsächlich auch einhalten”. Nach einem neuen Anlauf klang das nicht gerade, eher
uninspiriert und mutlos.
Auch
sonst hat die Umweltministerin in Altmaier bisher keinen Verbündeten. Während
sie für strengere Klimaziele kämpfte, zum Beispiel im Streit um die Autoabgaswerte der Europäischen Union,
bremste er. Als es um die EU-Ziele für Ökoenergie und Energieeffizienz ging,
warnte er selbst in Brüssel vor zu viel
Ehrgeiz.
Zwar
will Altmaier den Netzausbau beschleunigen, damit das deutsche Stromnetz die
erneuerbaren Energien in Zukunft besser aufnehmen kann. Aber in der Förderung
der Erneuerbaren, die zum Netzausbau dazugehören, ist er weit weniger
ehrgeizig. Selbst Wirtschaftsvertreter sollen sich laut Zeitungsberichten
inzwischen über den lahmen Wirtschaftsminister beschwert haben, der die Energiewende aus ihrer Sicht
nicht schnell genug weiterbringt und ihnen so auch Planungssicherheit raubt.
Kohleausstieg und CO2-Steuer
Altmaier
war einst selbst Umweltminister. Er weiß also nicht erst seit heute, wie
gefährdet das Klima ist, und mit ihm die Zukunft der jungen Generation. Er hätte
sich schon in den Koalitionsverhandlungen für einen entschlossenen
Kohleausstieg einsetzen können. Stattdessen hat Deutschland nun eine
Kohlekommission, die ihren Abschlussbericht gerade ins kommende Jahr verschoben
hat. Die Geschäftsstelle liegt im
Wirtschaftsministerium
– Umweltministerin Schulze hätte sich die
Federführung gerne mit Altmaier geteilt.
Weiteren
grundlegenden Reformen, die den Klimaschutz deutlich voranbringen würden,
verweigert Altmaier bislang seine Unterstützung. Zum Beispiel der Einführung
eines CO2-Preises. Sie ist eines der Lieblingsthemen der Umweltministerin und
vieler Klimaökonomen. Die Idee ist bestechend einfach: Wenn klimaschädlich
erzeugte Energie teurer wäre, dann würde sie weniger genutzt. Deutschland würde
allein dadurch klimafreundlicher, man bräuchte nicht mehr so viele Verbote und
andere Vorschriften.
Es
gibt Möglichkeiten, eine solche Steuer sozial gerecht zu gestalten. Zum
Beispiel könnte man das Geld, das der Staat durch sie einnimmt, wieder an die
Bürger zurückzahlen. So würden die gewinnen, die umweltfreundlich leben. Oder
man könnte die Höhe der Rückzahlungen daran koppeln, wie viel jemand verdient. Man
könnte die Erträge aus der Steuer auch nutzen, um klimafreundliche Branchen zu
unterstützen.
Schulze streitet, Altmaier verwaltet
Eigentlich
schätzt Altmaier eine aktive Industriepolitik. Doch für einen CO2-Preis hegt
er keine Sympathie.
Dafür habe er “keine Prokura”, sagte er vor Kurzem. Der Preis steht nicht im
Koalitionsvertrag, also interessiert ihn das Thema nicht. Kein neuer Anlauf vom
Wirtschaftsminister.
Das
zweite große Projekt der Bundesumweltministerin ist ein Klimaschutzgesetz. Im
Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass sie es bis Ende 2019 vorlegen soll. Jedes
Ministerium soll darin aufschlüsseln,
was es zu tun gedenkt, damit das Land klimafreundlicher wird. Das
Wirtschaftsministerium wäre zuständig für den Gebäudesektor. Man hört, dass es
bisher nicht besonders engagiert liefert.
Meinte Altmaier es wirklich ernst mit dem neuen Anlauf, so hätte er genügend
Möglichkeiten, den Klimaschutz in Deutschland voranzubringen. Schulze streitet
engagiert. Altmaier aber verwaltet. Über beiden steht die Bundeskanzlerin.
Angela Merkel hätte nichts zu verlieren, wenn sie ihren Wirtschaftsminister
ermutigte, Svenja Schulze zu unterstützen.
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