Wer sich anschickt, etwas über das Geschäft der Glühweinstandbetreiber zu
erfahren, muss mit Widerstand rechnen. “Ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtig, etwas Schlechtes
über uns zu schreiben”, murrt ein Mann ins Telefon, der in München Bio-Glühwein ausschenkt.
Dass sie sich eine goldene Nase verdienten mit gepanschten Heißgetränken, das sei “an den
Haaren herbeigezogen”. Die Standbetreiber, sie halten zusammen.
In einer Großstadt kostet es schnell an die 20 Euro (manchmal sogar mehr), um für sich und zwei Freunde eine Runde Glühwein zu besorgen. Bis zu 4,50 Euro muss man dort für die Tasse rechnen, dazu kommen jeweils zwei Euro Becherpfand und vielleicht noch je ein Euro extra für den Schuss Schnaps. Die Rechnung, die den Glühweinhändlern aufstößt, ist da schnell aufgestellt. Sie geht ungefähr so: Beim Großhändler kostet der billigste Glühwein 1,29 Euro pro Liter. Damit lassen sich fünf Tassen à 0,2 Liter befüllen. Verkauft der Betreiber an einem gut frequentierten Standort bis zu 1.000 Tassen pro Tag für jeweils vier Euro, macht das immerhin 4.000 Euro Umsatz. In vier Wochen wären das brutto 112.000 Euro, nach Abzug der 19 Prozent Mehrwertsteuer noch 94.000 Euro.
Der Vorwurf: Glühwein sei überteuerter Billigfusel
Auch wenn der Glühwein in vielen Regionen eher drei als vier Euro kostet: Die Geschichte vom Glühweinstand als Goldgrube erzählen sich die Menschen jedes Jahr aufs Neue, sobald
Last Christmas
aus den Lautsprechern dröhnt. In den Online-Bewertungsportalen, wo der Volksmund am lautesten ruft, haben die Kunden ihr Urteil über die örtlichen Glühweinstände längst gefällt: Auf den vermeintlichen “tschechischen Billigfusel” schimpft einer. Das “Kopfweh” am nächsten Morgen beklagt ein anderer. Und “überteuert” sei der Glühwein an den Ständen ohnehin.
Albert Ritter hält dagegen. Er verkauft den heißen Trunk seit 1972 auf dem Weihnachtsmarkt in Essen, in diesem Jahr für 3,50 Euro, und er ist Präsident des Deutschen Schaustellerbunds. Beim Namen seiner Website beweist er so etwas wie feine Ironie: Sie firmiert unter www.armer-ritter.com. “Ich kenne keinen, der den Glühwein beim Aldi kauft”, sagt Ritter. Es gebe rund zwei Dutzend namhafte Hersteller und Händler in Deutschland, darunter Gerstacker oder Kaub, “von allen zusammen beziehen geschätzt 80 Prozent der Standbetreiber ihren Glühwein”.
Beim Großhändler Metro kostet der Nürnberger Glühwein von Gerstacker im Angebot 1,99 Euro. Wie viel die Standbetreiber letztlich bezahlen, wenn sie den Glühwein in großen Mengen abnehmen, das verrät keiner. Geht man von einem Einkaufspreis von 1,70 Euro für den Liter aus, läge er auf die Tasse gerechnet bei 34 Cent. Bei einem Winzerglühwein dürfte der Preis pro Tasse allerdings deutlich darüber liegen.
Über Einnahmen und Einkaufspreise spricht Albert Ritter kaum, über seine Kosten schon eher. Es fielen beispielsweise Gema-Gebühren an, wenn er in seiner Glühweinhütte weihnachtliche Lieder erklingen lasse. Da sei auch der Auf- und Abbau, der ins Geld gehe und sich zwangsläufig beim Preis bemerkbar mache. “Eine normale Kneipe zieht schließlich nicht jede Woche um.” Beim Strom zahle er als Abnehmer mit ständig wechselnden Standorten einen besonders teuren Tarif.
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