/Jugendwiderstand: Maos Schläger aus Berlin-Neukölln

Jugendwiderstand: Maos Schläger aus Berlin-Neukölln

Dieser Text erschien zunächst im Tagesspiegel. Wir haben ihn für ZEIT ONLINE etwas gekürzt. Hier können Sie das ungekürzte Original lesen.

Es braucht nicht viel, um zu ihrem Ziel zu werden. Ein falsches
T-Shirt, die falsche Zeitung in der Hand, eine politische Meinung,
die sie nicht teilen
. Attackiert wird zum Beispiel, wer in ihrer
Gegenwart den chinesischen Staatsgründer Mao Zedong kritisiert. Oder wer
sich öffentlich zum Existenzrecht Israels
bekennt
. Auf der diesjährigen Demonstration am 1. Mai in Berlin stürmten sie
den feministischen Block und entrissen Teilnehmerinnen ein Transparent, auf
dem stand: “Jugend gegen
Antisemitismus und Rassismus!” Solche Slogans seien Teil einer
schmutzigen Kampagne, erklärten sie später.

Die
Gruppe nennt sich “Jugendwiderstand” und ist derzeit die mit Abstand
bizarrste Strömung in der politischen Linken Berlins – vor allem die
aggressivste. Ihre Mitglieder beanspruchen den Bezirk Neukölln für sich,
gehen aber auch in Kreuzberg, Mitte und Wedding gegen Andersdenkende
vor. Am liebsten gegen Linke. Der Verfassungsschutz stuft sie als
gewaltbereit und antisemitisch ein, der Staatsschutz beim LKA ermittelt.
Ihre Angriffe hat das nicht gestoppt.

In den vergangenen Monaten
wurden Mitglieder unterschiedlicher Gruppen und Parteien wie Die Linke,
Grüne und SPD attackiert, auch Kommunisten, die nicht mit der Linie des
Jugendwiderstands einverstanden sind. Ein Mann, der in Neukölln nachts
auf der Straße von ihnen zusammengeschlagen wurde, sagt: Die Angriffe
sind kaum von denen Rechtsextremer zu unterscheiden. Offen darüber reden
wollen die wenigsten Opfer – aus Angst vor Rache.

Gegründet hat
sich der Jugendwiderstand im Frühjahr 2015, seitdem wächst er und geht
zunehmend brutal vor. Es heißt, er sei straff organisiert. Weil von den
Aktivisten zwar Gesichter bekannt sind, aber keine Namen, gilt die
Gruppe in Neukölln als “Gespenst”.

Ihr
Logo sprühen sie mit roter Farbe an Häuserfassaden. Großes J, großes W,
dazu Hammer und Sichel. Oft auch eine Parole, “Tod dem Imperialismus”
zum Beispiel oder “Die BRD ist nicht unser Staat”. Die Botschaft ist
klar: Wir haben hier die Kontrolle.

Sie wollen einen “Volkskrieg” in Deutschland

Sehr
mitteilsam ist die Gruppe im Internet. In Verlautbarungen beschreibt
sie sich selbst als “antiimperialistische und revolutionäre
Jugendorganisation unter proletarischer Führung”, als “die Organisation,
die den Maoismus in Deutschland wieder zu den Volksmassen trägt”. Sie
fühlen sich den gewalttätigen Kämpfen von Maoisten auf den Philippinen
und in Indien verbunden und sagen, auch in Deutschland werde ein
“Volkskrieg” benötigt, um das System zu stürzen: “Wir müssen der
militanten Arbeit der Kommunisten weltweit in den Städten besondere
Aufmerksamkeit widmen, die Geschichte der Stadtguerillabewegung in
Europa konkret analysieren und von ihrem Erfahrungsschatz lernen.” Jedes
ihrer Mitglieder sei Teil der Arbeiterklasse, und im Gegensatz zu den
meisten anderen linken Gruppen in Deutschland hätten viele
Migrationshintergrund.

Der Wortführer des Jugendwiderstands nennt
sich “Taktikka”, er ist gleichzeitig Rapper. Auf Youtube hat er ein paar
Songs hochgeladen, sie heißen “Rot wie Blut” oder “Kämpfen oder
fallen”. Taktikka hat kurze rötliche Haare, die Seiten abrasiert, er ist
sehr muskulös, hat sich ein Sturmgewehr auf den linken Oberarm
tätowieren lassen. Wie seine Genossen treibt er Kampfsport, nach eigener
Aussage Muay-Thai, Kickboxen und Mixed Martial Arts, allerdings sei
auch Vollkontakt-Karate “für Straßenauseinandersetzungen natürlich gut”.

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