Dieser Mann hat Format. Diesen Mann kennt
man im ganzen Ruhrgebiet und am Niederrhein. Karl Schumacher bringt sie alle unter
die Erde. Er liefert die immer gleiche Antwort auf die Frage: Wer hilft
im Trauerfall? Berühmt und
erfolgreich geworden ist Schumacher mit einem Versprechen an seine Kunden: günstige Preise, keine Formalitäten. Sein Bestattungsunternehmen sitzt in Oberhausen: vorne das Unternehmen, hinten das Wohnhaus. Karl
Schumacher sitzt in seinem Büro am Schreibtisch und zündet sich eine Zigarette
nach der anderen an. Männer wie er sind Prototypen aus Westdeutschland.
ZEIT ONLINE: Herr Schumacher, warum haben Sie sich
dazu entschieden, Bestatter zu werden?
Karl Schumacher: Ich habe 1975 den Betrieb meines
Vaters übernommen. Ich war im neunten Semester meines Jurastudiums, als er sich
das Leben genommen hat. Meine Mutter war nicht versorgt und stand alleine da
mit dem Haus und dem Betrieb. Deswegen habe ich mich entschieden, das Geschäft
fortzuführen. Damals war Selbstmord noch gesellschaftlich stigmatisiert; bis
1959 wurden Selbstmörder nicht einmal ordnungsgemäß religiös beerdigt. Ich habe
dann bei null angefangen.
ZEIT ONLINE: Wie war das?
Schumacher: Ich erinnere mich heute noch an die Namen der ersten
zehn Bestattungen. Ich habe
damals gedacht: Gebt mir fünf Jahre Zeit und ich werde das Unternehmen wieder
auf den Stand zur Zeit meines Vaters zurückbringen. Im ersten Jahr 33, dann 50, 58, 69,
64, 79, und dann waren wir wieder bei den 80 Bestattungen meines Vaters.
Heute beerdigen wir über 3.600 Menschen jedes Jahr. Als ich damals übernommen
habe, half mir ein Rentner. Heute sind wir 40 Festangestellte und 40 Aushilfen
für Botengänge. Die holen den Totenschein beim Doktor ab, fahren zum
Standesamt, um die Beurkundung vorzunehmen und die Unterlagen wieder zu den
Angehörigen zu bringen.
ZEIT ONLINE: Hat Ihnen das Bestatten von Anfang an
Spaß gemacht?
Schumacher: Ich sag es mal so: Ich habe es
seit 1975, also seit 43 Jahren, nicht einen Tag bereut. Ich habe das deswegen
nicht bereut, weil die gesellschaftliche Anerkennung da und die Dankbarkeit
täglich spürbar ist. In Japan zum Beispiel hätte ich den Beruf des Bestatters
nicht ausüben können. Dort wird dieser Beruf missachtet, sogar gesellschaftlich
geächtet. Ich lebe in Oberhausen zwischen zwei Arbeitersiedlungen, Eisenheim
und Stemmersberg, und fühle mich wie ein Fisch im Wasser. Im Studium war ich
immer unglücklich. Das war nicht meine Welt.
ZEIT ONLINE: War der Bestatter nicht
gesellschaftlich stigmatisiert?
Schumacher: Überhaupt nicht. Wir sind ja
Hilfesteller. Die Menschen haben ein Problem. Es ist jemand gestorben. Damit
hat meist keiner gerechnet, es kommt immer plötzlich. Man kann alles
vorbereiten, kann Vorverträge machen, Geld bereitlegen, aber am Ende ist es
immer plötzlich, weil es etwas Endgültiges und Einmaliges hat. Dieser Mensch
hier kommt nie wieder, der Mensch wird nie wieder ein Wort zu mir sagen, nicht
mal “Guten Morgen”. Die Hinterbliebenen sind froh, dass wir da sind und das
Problem lösen. Die Mutter liegt ja tot im Bett.
ZEIT ONLINE: Wie beginnt so ein
Bestattungsauftrag? Besprechen Sie die Beerdigungen mit den Kunden bei Ihnen in
der Filiale?
Schumacher: 95 Prozent der Gespräche finden
bei den Menschen zu Hause statt. Die können auch zu uns kommen, aber zu Hause ist
es für die meisten Menschen angenehmer. Wir haben naturgetreue Bilder dabei, und
wer unbedingt den Sarg in natura sehen möchte, kann gern in eine unserer 39
Filialen in 19 Städten kommen. Die sehen da aber auch nicht besser aus als auf
einem Foto.
ZEIT ONLINE: 39 Filialen in 19 Städten? Wahnsinn.
Schumacher: Nein, das hat sich so ergeben. Das
lag am Ausgleich anfallender Arbeit und Personal, entweder gab es zu viele
Aufträge, sodass das Personal gelitten hat. Dann haben wir mehr Personal
eingestellt, aber dann hatten wir zu viele Mitarbeiter. Also sind wir in eine
neue Stadt gegangen, bis sich das Verhältnis austariert hat.
ZEIT ONLINE: Sind alle Filialen im Ruhrgebiet?
Schumacher: Ja, zwischen Moers und Dortmund.
Und auch in Velbert und Ratingen.
ZEIT ONLINE: Haben Sie das Gefühl, dass man hier
anders stirbt als in Düsseldorf?
Schumacher: So wie es früher mal war, so ist
es nicht mehr. Sie ziehen heute aus der Art der Beerdigung kein soziales Renommee
mehr. Vor 25 Jahren hat man sich noch über ein ungepflegtes Grab das Maul
zerrissen. Da dachte man, schau an, da hat sie den Alten schon vergessen.
Früher hat man 6.000 Mark für Opas Beerdigung ausgegeben, da hat schon das
Umfeld gesagt: Mein Gott, bist du geizig, ich habe
12.000 ausgegeben.
Hits: 44