/Erneuerbare Energie: Polens Kohle wird knapp und teuer

Erneuerbare Energie: Polens Kohle wird knapp und teuer

Kohleausstieg kann richtig Spaß machen. Zum Beispiel im brandneuen
Freizeitbad der Stadt Tychy im polnischen Oberschlesien. Zbigniew Gieleciak,
der Chef des Regionalzentrums für Wasser- und Abwassermanagement (RCGW), läuft
stolz durch die Anlage, zeigt die Aqualoop-Rutsche, die zu den schnellsten der
Welt gehört, die Sport- und Planschbecken, den Surfsimulator, die Saunen und die
Wannen, in denen Gäste ein Hopfenbad nehmen können. Tychy ist eine alte
Bierbrauerstadt, die Hopfenbäder sind hier ein Muss.

“Und das Beste an all dem”, sagt Gieleciak und öffnet mit theatralischer Geste die Tür zur den Räumen, in denen die Energieversorgung
des Bades gesteuert wird: “Der Wódny-Park ist energieautark.” Als erstes
Freizeitbad in Polen habe die Anlage in Tychy ein eigenes System zur Strom- und
Wärmeversorgung. 

Die Energiequelle sei Biogas, das in der Kläranlage von Tychy
erzeugt werde. Über eine sechs Kilometer lange Leitung gelange das Gas dann ins
Bad, wo es in ausreichend Strom und Wärme umgewandelt werde, um das Freizeitbad
warm zu halten und alle Lampen und elektrischen Geräte zu versorgen.

Gieleciak strahlt über das ganze Gesicht. Seine ausländischen
Besucher sind beeindruckt – schließlich ist Oberschlesien eine Kohleregion. Das
Gros der polnischen Kohlevorkommen befindet sich hier. Damit steht die Gegend symbolisch
für das unzeitgemäße Festhalten der polnischen Regierung an Kohle als
Energiequelle. Im Jahr 2017 trugen Braunkohle und Steinkohle zu gut 78 Prozent zur polnischen
Energieversorgung bei. Dass ausgerechnet in der schlesischen Hauptstadt
Katowice, wenige Kilometer von Tychy entfernt, im Dezember beim UN-Klimagipfel
die Umsetzung des vor drei Jahren in Paris verabschiedeten Weltklimaabkommens
eingeleitet werden soll, hat deshalb Skepsis und Kritik ausgelöst.

Stolze Bergleute

Doch das Freizeitbad zeige, dass “langsam, aber stetig”
auch in Polen eine Energiewende im Gange sei, sagt Michal Gramatyka. Der
Politiker gehört zur oppositionellen Bürgerplattform PO und ist Vizechef der
schlesischen Regionalverwaltung, der sogenannten Woiwodschaft. Tychy ist seine
Heimatstadt. Sein Vater war Bergmann – Gramatyka kennt den Stolz der Bergleute,
die für die Industrialisierung des Landes essenziell waren, und auch ihre Macht
an den Wahlurnen.

Trotz der Bergbautradition gibt es Oberschlesien nur noch zwei
aktive Bergwerke – in den Achtzigerjahren waren es 14. Auf dem Gelände eines
ehemaligen Schachts steht jetzt das Kongresszentrum, in dem im Dezember der
Klimagipfel stattfinden wird. “Auf nationaler Ebene hält die Regierung die
Rolle der Kohle noch hoch, aber auf lokaler Ebene findet der Wandel längst
statt,” sagt Gramatyka. “Es ist wichtig, dass uns die Transformation
hin zu einer Wirtschaft gelingt, die nicht von der Kohle abhängt.”

Dafür
sprechen nicht nur Klimaschutzgründe. Selbst in Polen ist Kohle nicht mehr der unschlagbar billige
Energieträger, der sie einst war. CO2-Zertifikate sind teurer geworden,
unrentable Bergwerke wurden geschlossen, relativ wenig wurde neu investiert,
und weil auch Polen zunehmend den Fachkräftemangel spürt, stiegen die Löhne der
Bergleute. All das führte in den vergangenen Monaten zu einem steten Rückgang
des Kohleabbaus. Nun muss Polen ausgerechnet von seinem ungeliebten Nachbarn
Russland Kohle importieren, um die Energieversorgung aufrechtzuerhalten.

Und es könnte sein, dass wegen der Kohleknappheit der Strom teurer wird.
Gerade haben die vier staatlichen Energieversorger ihre für die Privathaushalte geplanten Tarife
für 2019 vorgelegt. Zwar haben sie ihre
Berechnungen nicht öffentlich gemacht, doch nach Recherchen polnischer Medien müssten die Tarife um 20 bis 40 Prozent steigen, wenn die Unternehmen kostendeckend wirtschaften wollten. Versorger wie PGE und Enea, die eigene Bergwerke besitzen, würden demnach mit geringeren Preissteigerungen leben können. Tauron und Energa, die einen Großteil des Stroms einkaufen, müssten kräftiger aufschlagen.

Energieminister Krzysztof Tchórzewski hat Preissteigerungen von mehr als fünf Prozent ausgeschlossen. Er will die Folgen für Privatverbraucher sowie kleine und mittelständische Unternehmen mit einem Griff in die Staatskasse abfedern.

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