Kann eine schüchterne Frau, die Konflikt scheut, Geschäftsführerin werden? Geraldine Schroeder traute sich in der Schule und an der Uni kaum, sich zu Wort zu melden, ging Streit immer aus dem Weg. Dann beschloss sie, das zu ändern. Heute leitet sie eine Kommunikationsfirma. Sie sagt, vor allem Frauen müssen an ihrem Selbstvertrauen arbeiten – und sich in Gehaltsverhandlungen verhalten wie Männer.
ZEIT ONLINE: Frau Schroeder, Sie haben in leitenden Positionen von Unternehmen gearbeitet und sind nun Geschäftsführerin einer Kommunikationsberatung. Sie haben erzählt, dass sie früher mit Schüchternheit zu kämpfen hatten. Das merkt man Ihnen gar nicht an.
Geraldine Schroeder: Ich musste mir erst antrainieren, selbstsicherer zu werden. Früher war ich die Frau, die faule Erdbeeren am Gemüsestand bekommt und sie ohne Beschwerde bezahlt, weil sie keinen Ärger machen will. Schon als Schülerin fühlte ich mich sehr unwohl dabei, vor Menschen zu sprechen. Auch an der Uni habe ich mich in Seminaren meistens nicht getraut, meine Ideen auszusprechen. Wenn Themen für Referate verteilt wurden, habe ich die genommen, die übrig geblieben waren. Ich habe mich nie für Themen gemeldet, die mich wirklich interessiert hätten. Mir war es sehr wichtig, nicht egoistisch zu erscheinen.
ZEIT ONLINE: Wann haben Sie beschlossen, das zu ändern?
Schroeder: Ich wollte einen Job, in dem ich gestalten kann. Und dafür muss man wagen, sichtbar zu werden. Gegen Ende des Studiums wurde mir klar, dass ich dafür lernen muss, Konflikte auszuhalten und weniger empfindlich gegenüber fremder Meinung zu sein. Um das zu üben, habe ich zum Beispiel angefangen, rigoros auf dem Flohmarkt zu verhandeln, obwohl mich das Überwindung kostete. Hat mir ein Kellner im Restaurant einen Tisch angeboten hat, habe ich prinzipiell nach einem anderen gefragt, auch wenn es an dem Platz nichts weiter zu meckern gab.
ZEIT ONLINE: Hat es etwas gebracht, die Komfortzone zu verlassen?
Schroeder: Es war zwar anstrengend, aber oft weniger schlimm als erwartet. Außerdem fühlten sich die Erfolge deutlich größer an als die Risiken, die ich mir ausgemalt hatte. Und je öfter ich in solchen Situationen bestand, desto leichter fielen sie mir auch in der Zukunft. Inzwischen weiß ich: Ich bin eine Frau, die schüchtern ist, aber öffentlich auftreten und überzeugend sein kann.
ZEIT ONLINE: Seine Persönlichkeit kann man also nicht ändern – aber die Tatsache, wie viel Selbstvertrauen man hat?
Schroeder: Ja. Und meine Erfahrung ist: Gerade bei vielen Frauen schwingt die Frage “Bin ich wirklich gut genug?” ständig mit. Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, als ich vor meiner ersten Beförderung stand. Ich arbeitete in einem Energieunternehmen und bekam das Angebot, dort Leiterin der externen Kommunikation zu werden. Ich hatte damals große Zweifel, ob ich das schaffen kann. Meine männlichen Kollegen und Bekannten rieten mir durchweg dazu und meinten, ich würde das alles schon bewältigen. Während es in meinem weiblichen Freundeskreis hieß “Um Himmels Willen, überforderst du dich nicht damit?”. Ich habe den Job damals angenommen – und es nie bereut.
ZEIT ONLINE: Was würden Sie Menschen raten, die sich mehr Selbstbewusstsein antrainieren wollen?
Schroeder: Ich habe mein Verhalten in meinem eigenen Tempo und anhand meiner Möglichkeiten geändert. Ich habe vor allem Alltagssituationen genutzt, um mehr Selbstsicherheit zu entwickeln. Für mich war es schon eine Herausforderung, allein zu verreisen – oder einen Vortrag zu einem Thema zu halten, das nicht zu meiner Arbeitsexpertise gehört. Kleine Schritte zu gehen, das ist für mich der nachhaltigere Weg: Man muss nicht jahrelang warten, bis man ein Erfolgserlebnis hat. Immer, wenn ich mich etwas getraut habe, merkte ich, dass die Reaktionen darauf entweder positiv oder zumindest neutral waren.
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