Sarna Röser und ihr Vater reden gerade über die Vorzüge von Beton, als das Handy der Unternehmerin vibriert. “Beton brennt nicht wie Kunststoff, und er riecht nicht so gut wie Holz”, erklärt ihr Vater, der die Zementrohr- und Betonwerke Karl Röser & Sohn leitet, “Beton hält dicht, er ist schön auf den zweiten Blick.” Sarna Röser schaut auf das Display ihres Smartphones und sagt: “Das Telefon geht gerade ständig.” Es ist die Politik, die dazwischenplatzt in das Gespräch über Beton, und die kann nun einmal nicht warten. Sarna Röser nimmt ab und wechselt die Rolle: Aus der Zementrohr-Fabrikantin in vierter Generation wird die 31-jährige aufstrebende Lobbyistin und Politik-Einmischerin.
Röser ist Nachfolgerin im Familienunternehmen und damit eine “Beton-Röser”, wie ihr Vater sagt. Sie ist aber auch eine “Politik-Röser”: als Vorsitzende des Verbands “Die Jungen Unternehmer”. Ihr Leben kreist um die Fabrik in Mundelsheim, einer 3000-Einwohner-Gemeinde bei Stuttgart, und um Berlin, und an diesem Tag im Mai besonders um Kevin Kühnert. Der Juso-Chef hat gerade in der
ZEIT
vorgeschlagen, BMW zu kollektivieren. Der Fernsehsender n-tv möchte ein Statement von Röser. Live. Sofort. Also schnell zum Büro, quer durch die Fabrik, Rösers rote Jacke leuchtet vor den grauen Rohren, ihre High Heels klackern über den staubigen Boden. “Der Kühnert, ey”, murmelt Röser. “Ich versteh nicht, warum er auf so etwas kommt.”
Sarna Röser, die Unternehmerin, hat manchmal den Eindruck, dass einige Politiker auf einem anderen Stern leben als sie. Da ist sie bei Weitem nicht die Einzige. In den vergangenen drei, vier Jahren hat sich etwas verändert: Politik und Unternehmer sind einander fremd geworden. Nicht nur die Jungen Unternehmer und die Jungsozialisten reden aneinander vorbei. Auch die Mittelständler und die Minister sprechen zwar miteinander, aber sie verstehen einander nicht mehr. Es ist, als spräche der eine Finnisch, der andere Portugiesisch. Unterschiedliche Welten waren es immer, doch die Lage hat sich verschärft. Der FDP-Politiker Christian Lindner formuliert das so: “Das, was aus der Wirtschaft vorgetragen wird, interessiert kaum einen mehr in der Politik.”
Da ist die Bauunternehmerin Claudia Sturm aus der Pfalz, die über hohe Energiepreise klagt und Millionen-Aufträge ablehnen muss, weil ihr die Facharbeiter fehlen. “Diese Themen brennen, aber für die Politik spielen sie keine Rolle”, sagt Sturm. “Wenn Siemens-Chef Joe Kaeser kommt, dann hört die Politik zu. Aber uns?”
Da sind die großen Sorgen, die sich deutlich in Umfragen niederschlagen: Die Politik möge sich bitte intensiver für die wirtschaftspolitischen Interessen deutscher Unternehmen einsetzen, erklärten die Firmen jüngst in der Mittelstandsstudie “Unternehmerperspektiven” der Commerzbank, etwa im Handelsstreit mit den USA oder beim Schutz von Patenten im Ausland.
Da sind die Jungunternehmer, die sich von der Politik vergessen fühlen: Die Schulnote 4,0 haben Deutschlands Gründer der Bundesregierung 2018 in einer Umfrage des Bundesverbands Deutsche Startups gegeben, das war noch etwas schlechter als in den Jahren zuvor.
Da ist Harald Christ, ein Millionär und Mehrfachunternehmer, den die SPD zu ihrem Mittelstandsbeauftragten gemacht hat: “Die Grenze zwischen Politik und Wirtschaft schließt sich wieder”, sagt Christ. “Immer mehr Politiker haben eine klassische Kaderkarriere hinter sich, und immer weniger Unternehmer wagen sich in die Politik.”
Und da ist der Verband der Familienunternehmer, ein konservativer Wirtschaftsverband, durchaus CDU-Klientel. Doch dessen Präsident Reinhold von Eben-Worlée ist den CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Frühjahr so heftig angegangen wie ein Presslufthammer ein Zementfundament.
Die Kritik
Am 70. Geburtstag seines Verbands steht Reinhold von Eben-Worlée im Berlin Congress Center, bei den Familienunternehmertagen, vor einem Saal dunkel gekleideter Firmenchefs. Auf dem Programm: Vorträge von Politikern, von denen der Verband sich mehr erhofft, Paul Ziemiak etwa. Der CDU-Generalsekretär wird von Eben-Worlée gleich zu Beginn daran erinnert, dass es keinen Protektionismus brauche, sondern Wettbewerb. Das ist eine erste Spitze gegen den Wirtschaftsminister, der europäische Großkonzerne schützen will im Kampf gegen China.
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