Krieg ist immer ein Scheitern der Diplomatie, heißt es. Das allerletzte Mittel, haben so ziemlich alle beteuert, die diesen Weg gegangen sind. Das mag historisch nicht immer die Wahrheit gewesen sein, aber immerhin: Oft genug wurde bis zuletzt fast alles andere versucht, bis am Ende doch die Bomben sprachen. Wenn es nun zwischen dem Iran und den USA so scheint, als sei ein offener militärischer Konflikt nur noch eine Frage des Zeitpunkts, dann ist das auch der Verachtung Donald Trumps für die Diplomatie zu verdanken.
Man darf dem US-Präsidenten zwar glauben, dass er keinen Krieg will, und sei es auch nur wegen des angelaufenen Wahlkampfs, der ihm das Amt für vier weitere Jahre sichern soll. Doch angesichts der heiklen Lage im Nahen Osten fehlt es Trump an allem, was gerade jetzt so wichtig wäre: vertrauensvolle Verbündete, die ein gemeinsames Ziel verfolgen; genügend erfahrene Berater, die auch mit anderen als bloß militärischen Optionen Gehör finden; und ja: eine kohärente Strategie. Diese Leerstellen bringen die Welt näher an einen Krieg, den niemand will.
Nichts illustriert die Gefahr einer ungewollten Eskalation stärker als die offenbar für diesen Freitag befohlenen US-Angriffe auf iranische Ziele, die Trump möglicherweise genauso impulsiv wieder abbrechen ließ, wie er sie angeordnet hatte. Inzwischen hat er sich geäußert: Das US-Militär sei “gespannt und geladen” gewesen, bis er gefragt habe, wie viele Menschen sterben würden, twitterte der Präsident. 150 sei die Antwort gewesen, was er für unverhältnismäßig gehalten habe. Ob er es sich tatsächlich einfach anders überlegt hat oder ob die Ausführung lediglich verschoben wurde, man weiß es nicht sicher. Jedenfalls sollen die Kampfflugzeuge bereits in der Luft gewesen sein und die Schiffe ja ohnehin in Position. Und Trump beteuerte nun zwar, er habe es nicht eilig, sagte aber auch, das Militär sei ready to go.
Überall fehlen Vertrauen und Verbündete
Der Anlass für die US-Reaktion war durchaus nicht gering: Der Iran hatte eine US-Drohne abgeschossen und dies auch nicht abgestritten. Die Revolutionsgarden behaupten, die Maschine sei in iranisches Hoheitsgebiet eingedrungen. Laut der US-Regierung wurde die Drohne dagegen über internationalen Gewässern getroffen. Der Iran sieht den Abschuss als Warnung, fühlt sich im Recht, will auch die Drohne vorher kontaktiert haben, hätte nach eigenen Angaben sogar noch ein Flugzeug mit Besatzung ebenso legitim angreifen können. Trump twitterte von einem “sehr großen Fehler”, dass die halbe Welt schon bangte, was daraus folgen würde. Grenzverletzungen können sehr schnell ein Kriegsanlass werden, Angriffe auf fremde Streitkräfte ebenso, zumal außerhalb der eigenen Grenzen. Gerade vor dem Hintergrund der vielen kleineren Eskalationen in jüngster Zeit gäbe es deshalb allen Grund, nicht voreilig zu reagieren, sondern extrem vorsichtig zu sein. Und wirklich jeden Zweifel auszuräumen.
Und mit den Zweifeln ist das so eine Sache. Begründungen der USA für militärisches Vorgehen sind damit spätestens seit dem Irakkrieg behaftet. In Trumps Regierung wird insbesondere dem Nationalen Sicherheitsberater John Bolton nachgesagt, er arbeite geradezu darauf hin, den Iran anzugreifen. Der Präsident selbst hat schon immer ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Und wer glaubt schon dem iranischen Regime einfach so? Atomprogramm, Raketenbau, Milizen allerorten, das Misstrauen ist zu Recht groß, während der einzig nachvollziehbare Prozess der vergangenen Jahre das Nuklearabkommen war, das die USA mit ihrem Ausstieg zum Scheitern verdammt haben.
So viel zum Vertrauen. Trump selbst weiß offenbar, dass er jenseits militärischer Aktionen daran wird arbeiten müssen. Über den bevorstehenden Angriff soll die US-Regierung das iranische Regime vorgewarnt haben, heißt es aus Teheran, wenngleich offiziell dementiert wird. Ganz ausdrücklich soll mitgeteilt worden sein, der US-Präsident wolle keinen Krieg, sondern Gespräche. Also doch irgendwie Diplomatie. Und die funktioniert tatsächlich oft überhaupt nur, wenn glaubhafte Drohungen im Raum stehen. Nur eben nicht besonders gut, wenn zuvor alles vom Tisch gefegt wurde, was zumindest den Ansatz von Verbindlichkeit schafft. Man muss sich nur einmal fragen, welche Logik darin zu finden sein soll, erst das Nuklearabkommen zu verlassen und dann doch regelmäßig die Einhaltung seiner Vereinbarungen vom Iran zu verlangen. Und warum es eine gute Idee sein soll, einen Weg zu gehen, den so viele vermeintlich Verbündete nicht mitgehen wollen.
Trump ist zu allem bereit, was er nicht will
Um es deutlich zu sagen: Der Iran ist nicht unschuldig an der Eskalation. Die bis dato zwar immer wieder bescheinigte Erfüllung des Nuklearabkommens hat das Regime nicht gleich in einen friedlichen Akteur der Weltpolitik verwandelt. Und das Ziel, sein aggressives Verhalten auch über die Atomfrage hinaus einzuhegen, teilt ja durchaus nicht nur Israel mit den USA. Keiner der beteiligten Partner war mit dem Abkommen vollends zufriedengestellt. Aber den einmal gelegten Zugang so fahrlässig aufzugeben, hat ein Szenario sehr viel wahrscheinlicher werden lassen, das sich nun Schritt für Schritt zu entfalten droht: Der Iran könnte keinen anderen Weg sehen, als das Atomprogramm wieder voll auf die Bombe auszurichten, woraufhin den USA (oder auch Israel) irgendwann keine andere Reaktion als ein Angriff bliebe.
Beide Seiten wollen keinen Krieg, weil sie ihn nicht gewinnen können und es nichts zu gewinnen gibt. Daraus aber zu schließen, es werde schon keinen geben, könnte sich sowohl auf iranischer als auch auf amerikanischer Seite als fataler Fehler erweisen. Trump will zeigen, dass er zu allem bereit ist. Möglich, dass der abgesagte Angriff genau das demonstrieren sollte. In Teheran müssen sie das nicht unbedingt glauben, was die Gefahr birgt, dass man dort die Drohungen der USA unterschätzt und sich zu heiklen Signalen der Stärke ermutigt fühlt. Und das wiederum könnte Trump am Ende dazu bringen, doch zu tun, was alle fürchten. Weil er es nicht besser weiß, weil er nicht schwach aussehen will, warum auch immer. Sicher ist nur: Zu viele Missverständnisse und zu wenig Diplomatie können den Konflikt an einen Punkt bringen, an dem ein Krieg nicht mehr in letzter Sekunde abzusagen ist.
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