Noch spielen sie nur mit dem Krieg. Die iranischen Streitkräfte behaupten, eine amerikanische Drohne abgeschossen zu haben. Die Amerikaner dementieren zunächst, dass sie überhaupt eine Drohne in Richtung Iran haben fliegen lassen und entsenden mehr Streitkräfte an den Golf. Berichten zufolge waren US-Flugzeuge und Schiffe in der Nacht zu Freitag bereits für einen Angriff in Position, als der US-Präsident diesen im letzten Moment stoppt. Der Iran kündigt die Anreicherung von mehr atomwaffenfähigem Material ab nächster Woche an, die mit dem Iran verbündeten Huthis im Jemen schießen mit Raketen auf Saudi-Arabien. Unbekannte, möglicherweise aus dem Iran, setzen in der Straße von Hormus Tanker in Brand. Auf die iranische Provokation folgt die amerikanische Drohung, dann die nächste Provokation. Das amerikanisch-iranische Kräftemessen am Golf dreht sich in der Wiederholungsschleife.
Die Golfregion steht am Rande eines Krieges. Doch auch wenn die Situation explosiv wirkt, kann sie noch recht lange im Vorkriegszustand bleiben. Denn US-Präsident Donald Trump will eigentlich keinen Krieg. Er kann ihn weder für die Wahl 2020 gebrauchen noch für den Beweis, dass er die US-Soldaten nach Hause holt. Derweil tun seine Minister und Sicherheitsberater so, als wollten sie den Krieg. Also alles ausgeklügelte Taktik? Wenn es Taktik wäre, dann wäre sie ziemlich dumm. Denn der Etappensieger am Golf heißt Iran.
Dem Iran ist es gelungen, trotz Ölembargos, massiver Drohungen und US-Sanktionen seine Stärken vorzuführen. Gegen die asymmetrischen Schläge von Huthi- und Hisbollah-Milizen, gegen Schnellboote in der Straße von Hormus und Raketenangriffe in Bagdad sehen die USA ziemlich alt aus. Sie protzen mit den klassischen Mitteln der Großmacht. Der Iran arbeitet mit der List des Schwächeren. Alles, was die USA bisher aufboten, hat dazu geführt, den Iran zu stärken.
Die Nuklearfrage war vom Tisch
Das Problem sind die US-Drohungen, die zu nichts führen. Der Widerspruch von Trump, dem Truppenheimholer, und den Falken in der Administration hat die US-Politik lahmgelegt. Alles erinnert an die Trump-Drohungen gegen Nordkorea 2017, die mit leerem Gerede und einem diplomatischen Sieg von Kim Jong Un endeten. Er durfte die Nuklearraketen behalten und bekam die Anerkennung dazu.
Der Iran hat seine eigene Erfahrung. Seit 1979 bekämpfen die USA den Iran mit allen Mitteln, aber in jeder Schlacht wurde der Erzfeind stärker. Das war im Iran-Irak-Krieg der Achtzigerjahre so. Die USA rüsteten Saddam Hussein auf, aber der Iran gewann den langen Abnutzungskrieg. Die USA hatten mit Saddam ein neues Monster geschaffen, das sich mit Mord und Giftgas an der Macht hielt. Im Irak-Krieg ab 2003 versuchten die USA, das zu korrigieren – ohne internationale Legitimation. Am Ende zerstörten sie den Irak als Regionalmacht und schafften die Grundlage für den heutigen starken Einfluss Teherans in Bagdad. Im Syrien-Krieg war es umgekehrt. Dort wuchs der iranische Einfluss wegen amerikanischer Nichtintervention.
Das erste Mal, dass der Aufstieg des Iran im Nahen Osten wirklich eingedämmt wurde, war das Atomabkommen von 2015. Als alle schon meinten, Irans Bombe sei kaum zu stoppen und Saudis, Ägypter und Türken würden sich auch Nuklearwaffen zulegen, löste das Atomabkommen der Europäer, der USA, Russlands und Chinas mit dem Iran das Problem für mindestens 15 Jahre. Das hat die Expansion des Iran in Syrien, Jemen und im Irak zwar nicht gebremst. Aber die Nuklearfrage war vom Tisch.
Jetzt steht sie wieder ganz vorn auf der Tagesordnung. Nachdem die USA das Atomabkommen 2018 gebrochen haben, will Teheran sein Programm nun wieder hochfahren. Macht die iranische Führung ihre Ankündigungen wahr, ist das Abkommen tot. Und die Welt hat es mit einem aggressiv-expansiven Land zu tun, das zusätzlich nach der Bombe greift.
Deshalb sollten die USA dringend aufhören, anzudrohen, was sie am Ende sowieso nicht tun werden. Klüger wäre es, schnell zum Atomabkommen zurückzukehren. Doch Trump ist nicht klug und leider auch nicht stark. Bricht Teheran offen die Nuklearvereinbarung, wird der Iran zum Problem von allen: Europäern, Russen, Arabern, Amerikanern, Israelis. Sie können dann einfach zuschauen – oder eine Front bilden wie vor dem Abkommen von 2015: Sanktionen, Isolierung, Ächtung, kombiniert mit dem Angebot von Verhandlungen, um den Iran vom Atomprogramm abzubringen. Niemand wird das allein schaffen. Es kann nur funktionieren, wenn die USA wieder mit den anderen zusammenarbeiten. Tun sie es nicht, wird der Iran irgendwann den endgültigen Sieg erringen und zur Atommacht aufsteigen – mit Truppen vom Mittelmeer bis zum Indischen Ozean.
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